Ein Macho auf Abwegen
wird es wohl Keines geben, Christina! Aus der Traum!“
Marc war hochgradig verzweifelt, durch und durch besetzt von
maßlosem Kummer um dieses ungeborenes Kind. Er schien um dieses kleine
Menschlein so zu trauern, als hätte er es schon einmal in seinen Armen halten
dürfen, und man hätte es ihm gewaltsam genommen und getötet. Genauso musste es
sich anfühlen, wenn Eltern es miterleben mussten, wie ihr Kind starb. So musste
eine Mutter fühlen, die eine Fehl- oder Totgeburt hatte.
Marc war entsetzlich unglücklich und Christina absolut
hilflos. Sie musste ihn doch von ihrer ehrlichen und aufrichtigen Liebe
irgendwie überzeugen können. Warum zweifelte Marc plötzlich an ihr? „Ich will
doch kein Kind für mich. Ich wollte unser Kind! Ich möchte die Mutter deines
Babys sein, Marc. Ich möchte ein Kind mit dir! Sonst gar nichts. Wir müssen
Geduld haben! Gib dich bitte nicht so schnell auf!“
Marc schien ihr gar nicht mehr zuzuhören. Er brüllte
tobsüchtig, so als wäre er gerade dabei durchzudrehen. „Du bist blind,
Christina! Du solltest besser langsam damit anfangen den Tatsachen ins Auge zu
sehen. Dein Mann ist ein verdammter Krüppel, und alles das, was wir uns je
gewünscht hatten, wird niemals so kommen. Kein Sex! Kein Kind! Kein gar nichts!
Kapierst du? Ich bin so gut wie tot, und ich glaube, es wäre besser, wenn du
jetzt gehst. – Such’ dir jemanden anderes, Christina! Geh’! Und komm’ bitte
nicht wieder!“
Christina wich bestürzt zurück. Ihr war so, als hätte sie
soeben den Faustschlag eines Schwergewichtskämpfers mitten ins Gesicht
bekommen. „Was sagst du denn da? Weißt du eigentlich, was du da gerade gesagt
hast? – Marc? Weißt du, was du da gerade gesagt hast?“
Er schien fest entschlossen zu sein. „Ja, geh’ jetzt, für
immer!“
Christina stand wie zur Salzsäule erstarrt, mit weit
aufgerissenen Augen vor ihm. Sie schluckte einmal. „Marc, vor vier Wochen hast
du mir etwas versprochen. Kannst du dich daran erinnern, was du mir damals
versprochen hast? – Ein Leben lang!“, schrie sie unter Tränen. „Und mein Leben
ist vorbei, wie du ja siehst! Geh’ jetzt, Christina! – Geh’ endlich!“,
donnerte er sie wieder an. Sein Blick sagte ihr, dass er es ernst meinte. Es
war keine spontane Überreaktion, nein, sie sollte wirklich gehen.
Ihre Knie zitterten, und ihr fiel jeder Schritt schwer, als
sie ihre Tasche von seinem Nachttisch nahm und zur Tür ging. Sie verharrte
einen kurzen Moment, bevor sie die Klinke herunterdrückte. Vielleicht würde er
sie im letzten Augenblick doch noch aufhalten wollen. Er sagte jedoch nichts
mehr. Lediglich sein heftiges Atmen war im Raum zu hören. Sie drehte sich noch
einmal zu ihm herum. Er starrte abermals unzugänglich an die Zimmerdecke. „Und
ich habe dir versprochen, dich niemals alleine zu lassen. Ich werde mein
Versprechen einhalten! Ich gehe jetzt, aber ich werde dich nicht verlassen,
niemals. Ich liebe dich, Markus Steffens!“
Sie zog langsam die Türe hinter sich zu. Das Schloss
schnappte ein, und Marc hatte nicht versucht, sie aufzuhalten.
Was war gerade passiert? Was war gerade mit Marc und ihr
geschehen? Das konnte doch nur ein schlechter Traum gewesen sein.
- 28 -
Sie versuchte mit dem Wagen wegzufahren, doch sie konnte vor
lauter Heulen nichts sehen. Wie lange sie auf dem Krankenhausparkplatz im Auto
gesessen hatte, wusste sie am Ende gar nicht. Irgendwann und irgendwie war sie
zu Hause angekommen. Sie konnte sich nicht beruhigen.
Im Wohnzimmer betrachtete sie das Hochzeitsfoto auf dem
Kaminsims. Was war nur in Marc gefahren? Sie waren doch glücklich miteinander
gewesen! Nicht nur sie selber – Marc genauso! Da war sie absolut überzeugt.
Sie war zutiefst getroffen und maßlos traurig, aber auch wütend. Sie verstand
gar nicht, was sie empfinden und denken sollte. Sie war vollends durcheinander,
und ihr wurde es mit einem Mal speiübel. In ihrem Magen ging es drunter und
drüber. Sie rannte zur Toilette und musste sich übergeben.
Da war es wieder! Ihr Magen war schon immer ihre
Schwachstelle gewesen. Jedes Mal, wenn sie unüberwindbare Probleme hatte,
überkam sie das große Kotzen. Immer noch zitternd von der Anstrengung ging sie
zurück in das Wohnzimmer.
Sie legte eine CD auf und stellte die Stereoanlage auf
höchste Lautstärke. Vollkommen erschöpft legte sie sich auf das Sofa und
starrte auf das Foto in ihrer Hand. Sie betrachtete
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