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Ein Macho auf Abwegen

Ein Macho auf Abwegen

Titel: Ein Macho auf Abwegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Hitzblech
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so naiv! Da ist doch was faul an
der Sache! Die wollen mir hier nur nicht die Wahrheit sagen!“, rief er
aufgebracht.
     
    Mit der Zeit zweifelte Christina insgeheim genauso an
Professor Spenglers Diagnose. Nach einer Woche brennendem Warten auf Besserung
war Marcs Krankheitsbild immer noch das Gleiche. Die paar Tage, von denen der
Arzt gesprochen hatte, waren jedenfalls ohne jegliche Fortschritte, trotz der
Bewegungstherapie, vorübergegangen.
    In der zweiten Woche trübte sich Marcs Laune beinahe
stündlich. Es machte ihm immer mehr zu schaffen, fast nichts mehr alleine zu
können. Die Abhängigkeit von anderen Menschen war er nicht gewöhnt. Er wurde
zusehends mürrischer und unfreundlicher, bis er am Ende sogar den
Physiotherapeuten aus dem Zimmer warf und zu einer Fortsetzung der Rumturnerei,
wie er die speziellen Gymnastikübungen nannte, nicht weiter bereit war. Er
beschimpfte nicht nur die Schwestern und Ärzte übellaunig, sondern griff auch
immer öfter seine Frau mit seinen Verbalattacken an. Alles, was sie äußerte
oder tat, war ständig nicht richtig. So brachte sie ihm etwa das falsche Essen
oder die verkehrten Zeitungen mit. Entweder warf er ihr vor, sie würde zuviel
über seinen Gesundheitszustand wissen wollen, oder er beschwerte sich über ihr
zu geringes Interesse an seinem Befinden. An einem Tag fühlte er sich zu sehr
bemitleidet, am nächsten Tag hielt er ihr vor, viel zu wenig mit ihm zu fühlen.
Im Grunde hatte er stets etwas auf Lager, was ihm nicht in den Kram passte.  
    Christina versuchte sein Verhalten zu verstehen, was ihr
allerdings jeden Tag mehr Mühe bereitete. Sie konnte seinen Missmut bis zu
einem gewissen Grad vollkommen nachvollziehen, denn sie hatte es ja schließlich
am eigenen Leibe zu spüren bekommen, wie es war, wenn man wochenlang
bewegungslos im Bett verbringen musste. In ihrem Fall hatte sie jedoch jeden
Tag kleine Schritte nach vorn gemacht, und sie hatte gespürt, dass sie langsam
aber sicher wieder auf die Beine kommen würde. Man musste Geduld mit ihm haben,
und er mit sich selber auch, entschied sie und ignorierte seine Ausbrüche wie sein
Benehmen weitgehend.
    Auch die Ärzte konnten sich seinen Zustand nicht erklären
und untersuchten ihn nochmals gründlich. Ihr Ergebnis war einerseits
hoffnungsvoll, andererseits erschütternd. Die Schwellung des Rückenmarks war
vollständig abgeklungen. Man sah keinen physischen Grund mehr, warum Marc nicht
einfach aufstand und loslief. „Sie müssen jetzt nach vorne schauen, Herr
Stevens. Denken Sie positiv! Sie können es, Sie müssen es nur wollen“, sagte
Professor Spengler und verabschiedete sich mit einem freundlichen Lächeln.
    „Tickt der noch ganz sauber?“, fragte Marc unüberzeugbar.
„Was denkt der sich eigentlich? Dass ich Bock habe hier in diesem verdammten
Krankenhausbett herumzuliegen, oder was? Wenn einer hier aufstehen und laufen
will, dann bin ich ja das wohl! – Ha! Sie müssen es nur wollen! Ich lach mich
schlapp!“ 
    „Aber du bist gesund, hat er gesagt. Marc, du hast nichts!
Das hast du ja eben gehört“, sagte Christina. „Und warum kann ich es dann aber
trotzdem nicht, he? Kannst du mir das bitte beantworten, Christina?“
    „Vielleicht hast du Angst davor, oder du hast es dir
irgendwie eingeredet, nicht laufen zu können. Ach, ich weiß es doch auch nicht,
Marc! – Vielleicht brauchst du lediglich ein bisschen mehr Zeit. Das kann doch
sein, oder?“
    Marc verdrehte genervt die Augen. „Na siehst du! Dann hast
du das ja richtig verstanden, Christina! Der wollte mir klarmachen, dass ich
einen Dachschaden habe!“ Er schlug sich mit der flachen Hand gegen die Stirn.
„Dein Mann hat nicht mehr alle Tassen im Schrank, mein Schatz! Ich habe sie
nicht mehr alle beisammen, verstehst du? – Ich bin nicht mehr ganz richtig im
Kopf, denn anders ist mein Zustand nicht zu erklären! – Denken Sie positiv!
Ommm und Chaka-Chaka!“ Christina beugte sich zu ihm und küsste ihn sanft auf die
Lippen. „Du weißt, wie sehr ich dich brauche, und ich bin sicher, dass du es
schaffen wirst! Dein Kopf ist ganz in Ordnung! Das weißt du doch selber ganz
genau. Hab’ Geduld mit dir, Marc! Gib’ nicht auf! – Du hast alle Zeit der
Welt.“
     
    So sehr er auch wollte, es änderte sich nichts. Er war nicht
in der Lage auch nur den kleinen Zeh hin- und her zu bewegen. Christina hatte
inzwischen seine gesamte Pflege übernommen, denn Marc ließ niemanden mehr vom
Krankenhauspersonal an sich heran. Morgens

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