Ein Macho auf Abwegen
Schwangerschaft
fortschritt, keine ruhige Minute mehr. Kampfhuhn und Kampfhähnchen schienen
wahrhaftige Temperamentsbündel zu sein. Wahrscheinlich war ihnen ihre
mütterliche Behausung einfach nur zu ungemütlich und eng geworden. Solange die
werdende Mutter sich in Bewegung hielt, gaben die Babys Ruhe. Sobald Christina
sich ordnungsgemäß ausruhen wollte, begannen die kleinen Racker aufmüpfig in
ihr herumzutoben und ließen es ordentlich krachen. Jeder der Zwillinge kämpfte
offensichtlich um ein wenig mehr Freiraum in Christinas Bauch.
So geisterte sie häufig die halbe Nacht im Haus herum, um
auf diese Weise ihre Ungeborenen in den Schlaf zu wiegen. Die Tritte und Stöße
von innen erschreckten sie nicht nur, sondern taten sogar richtig weh.
Marc fand sie immer mal wieder schlafend im Wohnzimmer auf
dem Sofa vor. Er setzte sich gerne zu ihr und betrachtete sie jedes Mal aufs
Neue gedankenvoll. Einfach ungeheuerlich, so eine Schwangerschaft!, dachte er.
Was die Natur so alles fertig bringt? Nebenbei wunderte er sich schon seit
längerer Zeit, dass Christina immer noch nicht geplatzt war. Es schien ihm
schlicht und ergreifend unmöglich, dass solch ein zierliches menschliches Wesen
wie seine Frau es war, einen solchen Ballast in sich tragen konnte. Es ist
wahrhaftig ein Wunder!, dachte er einmal mehr und strich ihr fürsorglich über
den überdimensionalen Bauch.
Na, das ist ja eine äußerst nette Nachricht, dachte Peter
Henning, als er seine morgendliche Korrespondenz bearbeitete. Und vielleicht
auch die letzte Gelegenheit, um ihn ein wenig aus der Ruhe zu bringen, schoss
es ihm durch den Kopf. „Da müsste doch was zu machen sein“, stellte er
missgünstig fest und rief durch die Sprechanlage in sein Vorzimmer: „Machen Sie
mir zuerst eine Verbindung mit Babsie Bachmaier, und wenn ich damit fertig bin,
hängen Sie mir gleich auch noch Eickermann vom Blitz dahinter!“ Er lehnte sich
genüsslich in seinem Chefsessel zurück und grinste lautlos vor sich hin. „So,
Marc Stevens! Schau’n wir doch mal, ob du definitiv so ein feuerfester Gemahl
und liebender werdender Vater bist!”
Sein Telefon tönte, und er nahm beschwingt den Hörer ab:
„Babsie! Schön mal wieder mit dir plaudern zu können! Ich denke mal, wir können
dem guten Marc in nächster Zeit ein wenig gefährlich werden. Ich meine
natürlich: Du könntest ihm bald ein wenig auf die schiefe Bahn bringen.“ Er
lachte einmal hämisch auf. „Hör zu, Mädchen! Folgendes ...“
„Ach du liebe Zeit!“ rief Christina laut, als sie die Post
öffnete. „Was soll ich da bloß anziehen?“ Zu so einer Gelegenheit musste man
doch absolut schick aussehen. Über den roten Teppich von so einer bedeutenden
Veranstaltung, wo jede klitzekleinste Kleinigkeit auch noch in Bild und Ton
festgehalten wurde, konnte man doch unmöglich im Schwangerschaftshängerchen
stampfen.
Sie nahm den Brief und lief aufgewühlt zu Marc ins Studio
hinunter. „Cariño! Schau mal! Ist das nicht fabelhaft?“ Marc las das
Einladungsschreiben nicht ohne ein neckisches Grinsen im Gesicht. Er freute
sich sehr und war unglaublich stolz auf sich. „Is’ ja ’n Ding!“ rief er beinahe
jubelnd. „Das Medien-Institut hat endlich mitgekriegt, dass ich tatsächlich
existiere. Ich hatte den Glauben an eine „Goldene Tonleiter“, ganz gleich in
welcher Kategorie, eigentlich schon vor Jahren aufgegeben! Unglaublich,
Prinzessin, einfach phantastisch!“
Bis auf den heutigen Tag hatte das deutsche Medien-Institut
ihn bei ihren jährlichen Prämierungen stur übersehen. Man hatte ihn
offensichtlich zu keinem Zeitpunkt als ernsthaften Künstler angesehen, obwohl
er seit so langer Zeit der tonangebende Musiker des deutschen Musik-Business
war. Und nun sollte er für sein Lebenswerk mit der angesehensten und
bedeutungsvollsten Auszeichnung, welche es in Deutschland überhaupt gab,
bedacht werden. Das war gewissermaßen sein Ritterschlag und die Beförderung in
den Künstlerhimmel der Begnadeten und Unsterblichen. „Wieso gerade jetzt? –
Etwa, weil ich dem Tod noch mal gerade von der Schippe gesprungen bin?“
„Nein, cariño, weil du endlich erwachsen geworden bist“,
sagte Christina und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. „Ich bin so stolz auf
dich, Marc! Ich kann dir gar nicht sagen, wie!“
Christina musste also in vier Wochen in dem elegantesten und
ausgefallensten Abendkleid, was es für eine Hochschwangere auch nur geben
konnte, in Berlin, gemeinsam mit
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