Ein Macho auf Abwegen
Cremes gegen Schwangerschaftsstreifen, machte täglich spezielle
Gymnastikübungen und drehte ihre Runden im Hallenbad. Sie achtete mehr denn je
auf ihre Ernährung und kontrollierte ihr Gewicht mindestens einmal am Tag. Sie
wollte kein Gramm mehr wiegen, als es für den Zeitpunkt ihrer Schwangerschaft
angemessen war. „In meinem Alter geht das mit dem Abnehmen nicht mehr so
schnell wie bei jungen Frauen“, rechtfertigte sie ihre Wiege-Manie.
Marc nahm ihr Verhalten, solange sie nicht übertrieb, nicht
so ernst. Eine Macke in der Schwangerschaft musste man ihr wohl lassen. Andere
Frauen überkamen regelrechte Fress-Attacken, mit den seltsamsten Gelüsten, die
verschiedensten Geschmacksrichtungen miteinander zu vermischen. Er selber war
zu Beginn der Schwangerschaft bei seiner Frau auf Granit gestoßen, als er ihr
Nutella-Brote mit sauren Gurken servieren wollte. „Ist das normal, dass du das
nicht magst?“, wollte er von ihr wissen, als sie dankend ablehnte. „Und muss
ein werdender Vater nicht immer nachts los, um seiner Frau noch irgendein
bestimmtes Essen zu organisieren? Pizza, Hamburger, oder so was in der
Richtung?“ Christina musste unwillkürlich lachen. „Weder das eine noch das
andere, cariño. Und eine Geburt geht auch in 99,9 Prozent aller Fälle nicht von
einer Sekunde auf die andere los. Im Gegenteil. Es dauert Stunden um Stunden,
bis ein Baby geboren wird. In den allerseltensten Fällen gebärt eine Mutter im
Laufschritt oder in einem eiligst herbeigerufenen Taxi. Du hast ganz eindeutig
zu viele amerikanische Filme gesehen, Marc Stevens.“
Marcs eisernes und beinahe schon verbissenes Training war so
erfolgreich, dass er bald auch auf seine Krücken verzichten konnte. Er hatte
seinen Unfall, wie er das Attentat nannte, ohne Spätfolgen überstanden und war
komplett wieder hergestellt. Er arbeitete sehr viel und verbrachte seine knapp
bemessene Freizeit ausschließlich mit Christina. Sie genossen ihre gemeinsamen
Abendspaziergänge und drehten ihre Runden im Schwimmbad. Für gewöhnlich
beendeten sie den Tag mit kuscheligen Stunden. Christina brauchte seine Nähe
und die Geborgenheit zurzeit so dringend wie eine ausgewogene Ernährung und
ordentlichen Schlaf.
Zwei Monate vor dem errechneten Geburtstermin war in der
Villa Stevens alles für die Ankunft der neuen Familienmitglieder vorbereitet.
Die Zwillinge waren tatsächlich ein Pärchen, was die werdenden Eltern in
höchstem Maße erfreute. Marc bekäme seinen Stammhalter und Fußballkumpel und
Christina ihr kleines Mädchen.
Weniger erfreulich war dagegen Frau Dr. Fuhrmanns Anweisung
für Christina, sich ab sofort sehr zu schonen und auf sämtliche anstrengenden
Tätigkeiten zu verzichten. Das hieß im Besonderen: Keine Gymnastik oder andere
sportlichen Aktivitäten mehr. Auch jede erotische Betätigung war ab sofort
gestrichen, was für Christina das Schlimmste war. Sie durfte nicht mehr im
Garten arbeiten oder ihre Hausarbeiten erledigen. Christina sollte möglichst
viel liegen, damit die Kinder so lange es irgendwie ging, in ihrem Bauch
heranwachsen konnten. „Ich weiß, Sie hatten bisher eine unkomplizierte
Schwangerschaft, Frau Stevens“, erklärte die Chefärztin. „Trotzdem müssen Sie
jetzt diese Vorsichtsmaßnahmen treffen. Jeder Tag zählt nun. Haben Sie Geduld!
Ihren Kindern wird es zugutekommen. Also, keine Anstrengung! Keinerlei Aufregung!
Alles das könnte eine vorzeitige Geburt einleiten.“
Marc nahm Dr. Fuhrmanns Anweisungen doppelt so ernst wie die
Ärztin selbst. Ständig tauchte er unerwartet im Haus auf, um sich zu
vergewissern, ob Christina sich anständig ausruhte. Er zeigte eine beharrliche
Ausdauer, um ihr auch die kleinste Kleinigkeit abzunehmen. „Warte! Ich mache
das schon! – Bleib’ sitzen! – Das kann Mia für dich erledigen! – Das brauchst
du nicht machen, ruh’ dich lieber ein wenig aus!“ Etwas anderes hörte Christina
aus seinem Mund nur selten. Noch mehr ausruhen als bisher kann sich ein Mensch
alleine doch gar nicht, beschwerte sich Christina lediglich in Gedanken, denn
sie wagte es nicht, ihrem Mann in diesem Zusammenhang zu widersprechen. Im
Grunde hatte er ja Recht, aber er musste ja auch nicht zwei Monate lang
tatenlos dahinvegetieren und sich von zwei kleinen Kampfküken den ganzen lieben
langen Tag in den Bauch treten lassen! Wie soll ich die nächsten acht Wochen
bloß hinter mich bringen? Ich werde sterben vor Langeweile!
Die Kinder ließen ihr, je weiter die
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