Ein Macho auf Abwegen
Glückseligkeit
gewissermaßen außer Rand und Band. Für ihre Mutter bedeutete diese Heirat
alles. Sie sah durch die Eheschließung mit dem reichen Hoteliersohn das
Lebensziel und die eigentliche Bestimmung ihrer hübschen Tochter erreicht. Ihr
Mädchen war bestens versorgt und wurde durch den Stand des Moreno-Clans in die
Welt der Schönen und Reichen aufgenommen. Sie himmelte ihren Traumschwiegersohn
förmlich an, der dann zehn Monate später für ihren ersten Enkel, Manuel,
sorgte. Der Junge war seiner Mutter schon als Baby wie aus dem Gesicht
geschnitten. Die kleine Isabel machte nach weiteren zweieinhalb Jahren die
kleine Familie perfekt.
Seitdem war so viel geschehen, und Christina konnte nun
schon aus der Ferne den großen weißen Bogen am Ortseingang von Marbella
erkennen. Wie die beiden wohl aussehen? Sind sie glücklich? Würden sie mich
überhaupt noch erkennen? Christina klopfte das Herz, als sie an ihre Kinder
dachte. „Pilar, ich will jetzt sofort mit den Kindern sprechen. Bitte fahr’
direkt zum Hotel!“
Die Anwältin nahm geradezu augenblicklich ihren Fuß vom Gas
und provozierte damit ein gewaltiges Hupkonzert hinter ihrem Wagen. „Das wäre
das Falscheste, was du tun könntest, Christina! Du musst dich erst auf das
Treffen vorbereiten. Stell’ dir das doch bitte nicht so einfach vor!“ Christina
schüttelte den Kopf. „Pili, ich hatte einen Haufen Zeit dieses Gespräch zu
planen. Ich weiß genau, was ich zu sagen habe, jedes Wort.“ Mehrere Autos
überholten den Wagen der beiden Frauen nun ziemlich rasant, und die Fahrer
schimpften lautstark über Frauen am Steuer. Pilar lenkte ihr Auto auf den
Seitenstreifen, um in Ruhe mit Christina reden zu können. Sie schaltete den
Motor aus. „Hör zu, Christina ...“
„Ich möchte meine Kinder wiedersehen. Und zwar genau jetzt,
Pilar. Und ich werde darüber nicht mit dir diskutieren. Ich habe meine
Entscheidung getroffen.“
Pilar kannte den ausgeprägten Dickschädel ihrer
Ex-Mandantin. Sie wusste, dass sie ihr das nicht mehr ausreden konnte. „Also
gut, Christina. Du musst wissen, was du tust. Aber, wenn es in die Hose geht,
sag’ nicht, ich hätte dich nicht gewarnt!“ Sie startete den Motor wieder.
„Jedenfalls musst du dir vorher dringend etwas Neues zum Anziehen kaufen. So
kannst du nicht ins Hotel gehen.“
Christina schaute an sich hinunter. Die enge Jeans in
Karottenform, die Turnschuhe und das Schlabber-T-Shirt waren wirklich schon
über zehn Jahre alt. „Du willst doch wohl nicht behaupten, mein Outfit sei
nicht Up-to-date?“ Christina gab ihrer einzigen Freundin lachend Recht. „Okay,
vale! Dann müssen wir aber erst einmal zur Bank. Da liegt nämlich noch mein
komplettes Vermögen. Das müssten mit Verzinsung ungefähr dreieinhalb Millionen
Peseten sein.“
„Hola muchacha, seit Anfang des Jahres zahlen wir hier in
Euro“, erinnerte die Anwältin ihre beste Freundin. „Na, dann ... Das ist mir
auch vollkommen gleich. Dann holen wir uns eben die Euros!“
Es dauerte ein wenig, bis sie einen Parkplatz an der Banco
de Andalucía, der Hausbank der Morenos gefunden hatten.
Es war Christina sehr recht, dass die Bankangestellte sie
nicht kannte. Die Frau war viel zu jung, um die stadtbekannte Mörderin zu
kennen. Nachdem Christina ihr das Sparbuch und ihre Ausweispapiere übergeben
hatte, entschuldigte sich die junge Frau für einen kurzen Moment und verschwand
in einem Büro im hinteren Kundenbereich. „Was hat DIE denn für Probleme?“
Christina passte das alles nicht. Wieso zahlte man ihr das Geld nicht einfach
aus?
„Es gibt Gesetze. Bei größeren Summen fällt halt eine Menge
Papierkram an“, versuchte Pilar sie zu beruhigen. „Das Geld gehört dir, und du
wirst es auch bekommen.“
„Dann soll sie sich jetzt mal ein bisschen beeilen, und zwar
rápido!“ Christina zappelte unruhig vor dem Tresen herum, bis die
Sachbearbeiterin an den Schalter zurückkehrte.
Sie legte Christina einige Formulare zur Unterschrift vor
und zählte ihr dann ihr komplettes Vermögen von 21.084,34 Euro vor.
„Na, also! Hat ja doch alles prima geklappt. Wo möchtest du
denn jetzt shoppen gehen?“
Christina dachte nicht daran in eine der teuren Boutiquen in
der Altstadt zu gehen. Sie brauchte etwas Hübsches und Nützliches für jeden
Tag. Sie einigten sich auf einen Besuch im Kaufhaus El Corte Inglés, und Pilar
steuerte den Wagen in Richtung Puerto Banús, dem einzigartigsten Jachthafen
Spaniens, wenn nicht ganz
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