Ein Magier in Nöten
suspendiert.«
Heemat lächelte immer noch. Ich sah zu meinem Meister hinüber, doch der schnarchte sanft auf seinem Stein. Er hatte all das hier verschlafen. Erst jetzt wurde mir richtig klar, wie erschöpft er sein mußte.
Nun, auch ich war erschöpft, aber jemand mußte die Situation schließlich bewältigen. Ich würde es so erledigen, daß mein Meister stolz auf mich sein konnte. Ich starrte diesen lächelnden, kahlen Kerl an. Irgendwie kam er mir merkwürdig vor. Wie, dachte ich bei mir, wie würde Ebenezum die Sache angehen?
»In der Tat«, stellte ich fest. »Ihr seid also ein Pilger?«
»Ja«, erwiderte Heemat, indem er die Hände zum Himmel emporstreckte. »Ich verehre einen kleineren Gott, Plaugg den Prächtigen.«
»In der Tat.« Ich entschloß mich, diesen speziellen Punkt erst einmal beiseite zu lassen. »Und Ihr habt Euch durch ein Gelübde zu zwanzig Jahren Schweigen verpflichtet?«
»Nun ja, mehr oder weniger. Doch als wir beide die Straße entlangwanderten und Euch beide so offensichtlich in Not sahen…«
Die Stimme des Eremiten verlor sich. Offensichtlich in Not? Ich mußte husten.
»Wir hatten nur eine Ruhepause eingelegt!«
»Euer Reisebegleiter sieht aus, als würde er sich für die nächsten zwanzig Jahre nur noch ausruhen.«
Ich sah zu Ebenezum hinüber. Irgendwie hatte er es geschafft, sich auf der Spitze des Felsbrockens zusammenzurollen. Sein Schnarchen wurde heftiger.
»Nur ein kurzer Nachmittagsschlaf«, gab ich zur Antwort, wobei ich möglichst vermied, Ängstlichkeit in meiner Stimme mitschwingen zu lassen. Wie könnte ich den Magier aufwecken, wenn ich ihn nicht gerade wach treten wollte?
»Vielleicht braucht Ihr ja einen Ruheplatz, an dem Ihr bleiben könnt, bis er sein Nachmittagsschläfchen ausgeschlafen hat?« Heemats Hand beschrieb einen großartigen Bogen. »Unsere bescheidene Hütte liegt nur ein Stückchen weiter an der Straße.«
Das war es! Jetzt wußte ich, was mich bedrückte. Nachdenklich strich ich mir übers Kinn. »In der Tat. Ihr sagtet, daß Ihr ein Eremit seid, mein Herr?«
»So ist es.«
»Gut.« Ich hüstelte leicht. »Seit wann haben Eremiten Reisekumpanen?« Ich mußte ein Lächeln der Befriedigung unterdrücken. Was für eine messerscharfe Logik! Mein Meister wäre stolz auf mich!
»Nun denn.« Beim leisesten Vorwurf bezüglich seines nicht ganz eremitenhaften Benehmens wanderten seine Hände demütig in die Kutte zurück. »Ich sehe, daß Ihr Durchreisende seid. Die Sitten hier sind vermutlich etwas anders als dort, wo Ihr herkommt.«
Ich war vollkommen verblüfft. »Ihr wollt sagen, daß in diesem Land Eremiten immer paarweise reisen?«
»Es ist wohl nicht nötig, auf dem Offensichtlichen herumzureiten. Wie kommt Ihr hierher?«
»Nun, ich glaube, wir sind irgendwo da hinten von der Hauptstraße abgekommen«, hatte ich schon zugegeben, bevor ich meine Fassung wiedererlangt hatte. »Einen Moment noch! Warum spricht denn Euer Reisegefährte nicht? Hat er auch ein Schweigegelübde abgelegt?«
»Snarks?« Heemat lachte herzhaft. »Nein, nein, der hat noch nie in seinem Leben irgendein Gelübde abgelegt. Er redet nur nicht gerne, nicht wahr, Snarks?«
Die andere Gestalt nickte; aus den Tiefen ihrer Robe kam ein Geräusch, das wie »Mmrrpphh« klang.
Trotzdem wollten diese ganzen Erklärungen mich nicht beruhigen. »Was bemerkte Euer Freund?« wollte ich wissen.
»Für mich hörte es sich wie ›Mmrrpphh‹ an.« Heemat rieb sich mit glücklichem Gesichtsausdruck seinen Bauch.
Irgend etwas stimmte hier ganz und gar nicht. Ich verfluchte meine mangelnde Erfahrung. Vielleicht sollte ich doch lieber Ebenezum wachrütteln.
Ich hatte meinen Gedanken noch nicht zu Ende gedacht, da rollte Ebenezum von seinem Felsbrocken hinunter in ein Gestrüpp. Ich konnte ihn zwar nicht mehr sehen, doch sein lautes Schnarchen machte jede Ortung zu einem Kinderspiel.
»Unsere bescheidene Bleibe liegt wirklich dort, wo ich sagte.« Heemat zuckte die Schultern. »Natürlich kann er auch die ganze Nacht in dem Gestrüpp schlafen, wenn Ihr das vorzieht.«
Ich sah von dem Eremiten zu seinem verhüllten Kumpan. Snarks wedelte mit seinen behandschuhten Händen über seinem Kopf und rief etwas wie »Vrrmmpphh«.
Jemand tippte mir von hinten auf die Schulter.
Ein Angriff aus dem Hinterhalt! Ich wirbelte beinahe zu schnell herum, denn fast verlor ich meine Balance. Nun würden sie also nach dem ganzen Gerede endlich ihre wahren Absichten enthüllen! Der Feind war
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