Ein Magier in Nöten
etwas, was einen Weg darstellen sollte. Während unserer aufreibenden Flucht schien es manchmal, daß wir uns vollkommen von dem Hauptweg entfernt hatten, und nun fanden wir uns auf einem Trampelpfad wieder, der so überwachsen war, daß selbst die Tiere des Waldes ihn mieden.
Ebenezum war sogar noch erschöpfter als ich. Sein Kopf hing herunter, der Rücken war gebeugt wie der einer alten Frau. Sein einst so zauberstolzer Gang war zu einem ganz unzauberischen Hinken geworden.
Zunächst war, nachdem wir Lady Sniggett verlassen und ihr Hühnerproblem gelöst hatten, mit meinem Meister alles in bester Ordnung gewesen. Die Müdigkeit, die ihn nach der ersten Medikamenteinnahme befallen hatte, schien ihn beim zweiten Mal nicht heimgesucht zu haben. Der Magier begann ausgelassen von der Möglichkeit einer Heilung zu sprechen, vor allem nachdem wir eine weitere Dosis der Kräutermischung ergattert hatten.
Doch mein Meister hatte sich zu früh gefreut. Er reagierte auf die zweite Kräutereinnahme erst, nachdem wir schon zwei Tage auf der Straße gewandert waren; es kam viel schlimmer wie nach dem ersten Mal, als seine Reaktion nach dem Kampf gegen Tork vor allem in totaler Erschöpfung bestanden hatte. Die Erschöpfung damals mochte ihm jetzt als ein Zustand höchster Aktivität erscheinen.
Natürlich wurden wir auch immer noch von Assassinen verfolgt. Habe ich auch schon die erhöhte Erdbebenrate erwähnt? Zunächst dachte ich noch, mein Gleichgewichtssinn verabschiede sich langsam, doch nun wurden wir von immer stärker werdenden Beben geplagt, als stampften Riesen Löcher für neue Seen in die Erde. Wir wurden hin- und hergeschüttelt, oft sogar zu Boden geworfen.
Ebenezum stolperte vorwärts; schließlich hielt er inne und drehte sich zu mir um. Seine Augen, einst so vortrefflich in der Lage, zauberischen Zorn und Überzeugungskraft auszudrücken, waren nun rot und müde.
»Pause«, war alles, was er röcheln konnte.
Ich zeigte auf einen Steinhaufen auf der anderen Seite des Weges, wo wir uns niederlassen konnten. So gut wir konnten stolperten wir hinüber. Ich entledigte mich meines Gepäckes mit weniger Eleganz, als ich mir gewünscht hätte. Ich würde später nachsehen, was zerbrochen war.
Ebenezum registrierte den Lärm noch nicht einmal. Er war zu sehr damit beschäftigt, sich niederzusetzen, was, wie übrigens auch alle anderen Tätigkeiten zu jener Zeit, ihn vollkommen in Anspruch nahm. Er seufzte und stöhnte, stöhnte und seufzte, zwischendurch schniefte er.
Lange saßen wir schweigend da. Schließlich schob er seinen Hut zurück und betrachtete mich.
»Ich hatte Angst hiervor«, sagte er. »Der zweite Gebrauch dieser Mixtur hat die ganze Lebenskraft aus meinem Körper gesogen. Eine nochmalige Einnahme würde mich umbringen.« Mein Meister hielt inne, um wieder zu Atem zu kommen.
»Was sollen wir tun?« fragte ich, bevor ich sah, daß der Magier an Ort und Stelle eingenickt war.
Da wußte ich, daß wieder einmal alles an mir hing. Ebenezum war todmüde. Ich mußte einen Ort finden, wo er sich ausruhen und wieder erholen konnte.
»Verzeihung?« kam eine Stimme von der anderen Seite der Straße.
Ich sah schnell auf. Zwei verhüllte Gestalten standen nicht weit entfernt vor mir.
»Habe ich etwas gesagt?« fragte ich nach.
»O nein.« Eine der vermummten Gestalten trat vor. Nur ihre Hände waren sichtbar, und die fuchtelten wie wild in der Luft herum, als versuchten sie verzweifelt, sich von dem wallenden Umhang zu befreien.
»Ich sagte ›Verzeihung‹«, fuhr die Gestalt fort, »weil ich mit Euch sprechen möchte. Ihr müßt mir bitte nachsehen, daß mir die Feinheiten des gesellschaftlichen Umgangs leider nicht ganz geläufig sind. Wie Ihr seht, bin ich nur ein armer Eremit, der selten zur Rede greift.«
Der Redner schob seine Kapuze zurück und enthüllte einen runden Kahlkopf, der in der Nachmittagssonne glänzte.
»Oh«, sagte ich, nachdem ich den Sinn seiner wortreichen Rede kapiert hatte, »Ihr wollt mir also etwas sagen.«
»So ist es.« Seine Hände schnellten durch die Luft und deuteten auf seine Brust. »Wie ich bereits sagte, bin ich nur ein Eremit und Pilger, Heemat mit Namen. Ich habe ein Gelübde abgelegt, zwanzig Jahre lang kein Wort zu sprechen. Jawohl, zwanzig Jahre lang sind diese Lippen versiegelt, nie entringt sich ihnen der leiseste Schmerzensschrei, nie auch ein freudiges Lachen. Aber jetzt, da ich Euch beide am Wegesrand erblickte, habe ich mein Gelöbnis kurzfristig
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