Ein Magier in Nöten
und bemerkte, daß an meinen Armen keine Federn mehr waren. Ein Blick auf das, was Greta auf den Boden ihres Käfigs gelegt hatte, sagte mir, daß auch das Huhn nicht mehr magisch war.
»Dazu mußte es ja kommen«, jammerte Lady Sniggett.
»Hat mich denn niemand vermißt?« fragte der Herr mit der Glatze.
»Ich nehme an, mein Herr, daß Ihr der Onkel seid?« bemerkte Ebenezum nach einem besonders herzhaften Schneuzer.
»Und wer seid Ihr, mein Herr?« wollte der Glatzköpfige wissen. »Sniggie, du hast doch in meiner Abwesenheit keine zusätzlichen Diener eingestellt?« Er studierte Ebenezums silberverzierte Roben. »Es sei denn, Ihr seid – Sir, was tut Ihr hier in diesem Haus allein mit meiner Gattin?«
»In der Tat«, murmelte Ebenezum. Er beugte sich zu unserem Reisegepäck, das zwischen den Hühnchenkäfigen lag, und warf es mir zu. Dann wandte er sich ab und verließ mit schnellen zauberischen Schritten den Raum.
Ich warf einen letzten Blick auf die liebliche Ferona, die mir nun auf immer verloren war. Fassungslos weinte sie über einem graubraunen Haufen, der einst ein Klumpen Gold gewesen war.
»Dafür werdet Ihr bezahlen!« rief Lady Sniggett meinem Meister hinterher. »Mit Euch habe ich noch ein Hühnchen zu rupfen!«
»Ich habe genug von diesen Leuten«, murmelte der Magier, als wir das Haus verlassen hatten. »Möge sich ihr ganzes Gold in Dreck verwandeln.« Er nickte einem Mann in Mönchskutte zu, der auf uns zukam. »Wir sollten mit unserer Magie lieber den Pilgern helfen, mit denen das Mädchen es dauernd hatte.«
»Ganz meiner Meinung.« Der Mönch zog seine Kapuze zurück und lächelte. Obwohl sein Schädel kahlrasiert war, erkannte ich Bork.
»War Zeit für einen Berufswechsel«, gab er auf unsere fragenden Blicke hin zu verstehen. »Ein ruhiges Leben, frei von den Versuchungen der materiellen Welt. Übrigens« – er zupfte an seiner Kutte – »diese schönen warmen Gewänder werden einem kostenlos gestellt.«
Bruder Bork begleitete uns ein Stück des Weges, und Ebenezum faßte sie Ereignisse nach Borks Verschwinden zusammen.
»Ihr seid der Heiligkeit näher als ich«, sagte Bork schließlich. »Ihr habt den Spuk vollkommen vertrieben, habt Eure letzte Medizin verbraucht und dann das Gut ohne jede Belohnung verlassen?«
»Das habe ich nicht behauptet«, erwiderte Ebenezum. Er klopfte auf den Sack, den ich mit zwei Fingern trug. Es gackerte.
»Ein Hühnchen?« fragte Bork.
»Abendessen.« Ebenezum nickte. »Würdet Ihr uns Gesellschaft leisten?«
Ich erbleichte. Irgendwie behagte mir der Gedanke an ein gebratenes Hühnchen ganz und gar nicht. Angesichts dessen, was ich erlitten hatte, fand ich meine Bedenken sehr verständlich, auch wenn der Werspruch zusammen mit dem letzten Niederhöllen-Spuk beseitigt war. Nein danke, kein Hühnchen heute. Ich würde mich mit dem Säckchen Körner begnügen, das ich von dem Gut mitgenommen hatte. Erstaunlicherweise hatte ich nie zuvor gewußt, wie schmackhaft trockene Körner sein können!
Wir befanden uns wieder unter dem weiten, freien Himmel und reisten in Richtung Vushta. Natürlich war es nur eine Frage der Zeit, wann uns der nächste Trupp von Mietmördern angreifen würde.
Kapitel Neun
Magier brauchen, wie alle anderen Sterblichen auch, ihre Ruhezeiten. Sprüche zu rezitieren, gegen Ungerechtigkeiten zu kämpfen und gleichzeitig auch noch etwas für seine alten Tage auf die Seite zu legen kann ganz schön anstrengend werden. Ein kluger Zauberer wird daher immer auf eine ausgedehnte Nachtruhe und eine kleine Erholungsphase zwischen zwei Aufträgen achten. Nach einer besonders kraftzehrenden Aufgabe sind ein paar Wochen auf dem Land nicht übertrieben. Als Erholung nach einer wahrhaft großen Sache geht es natürlich nicht unter einem Badeurlaub an der See. Und wie erholt man sich nach einer Arbeit, die die ganze Welt des Zauberers, ja vielleicht sogar das Gefüge des Kosmos selbst beeinflußt hat? Nun, man achtet auf alle Fälle darauf, daß man die besseren Etablissements in Vushta mindestens zwei Monate im voraus buchen muß.
- aus den LEHREN DES EBENEZUM, Band XXIII
Es war zuviel. Ich konnte den Sack auf meiner Schulter kaum noch tragen. Sein Gewicht mußte sich vervierfacht haben. Ich lehnte mich so schwer auf meinen massiven Eichenstab, daß er sich gefährlich durchzubiegen begann. Sicher würde er bald brechen. Meine Füße konnte ich kaum noch heben, und so stolperte ich unentwegt über Steine und Wurzeln auf
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