Ein magischer Walzer
Besseres zu tun hatten, als ihr Äußeres mit Schminke und Schmuck zu verschönern. Für sie waren Kleider eine Zierde, dazu gemacht, ihrer Figur zu schmeicheln, nicht um den Körper vor Regen und Kälte zu schützen.
Er schaute ihnen beim Tanzen zu, wie sie sich lachend drehten, und wie sie tranken, und seine Laune verfinsterte sich. Schön, frivol. Sorglos. Ein Leben in Hülle und Fülle. Sie hatten keine Ahnung von dem Kampf ums Überleben, den die meisten ihrer Zeitgenossen führen mussten. Ihre Leiber waren wohlgenährt und wohlgeformt, nicht halb verhungert und bucklig von langen Stunden kräfteraubender, eintöniger Arbeit in den Fabriken. Oder verkrüppelt im Kampf für König und Vaterland wie Morton Black.
Sebastian gehörte hier nicht her. Er gehörte nicht zur Beau Monde. Er hatte kein sorgenfreies Leben gelebt, wie die meisten Gäste. Er schaute auf seine vernarbten Hände, auf die beiden verkrümmten Finger an seiner linken Hand. Giles hatte ihm geraten, stets Handschuhe zu tragen, aber Sebastian hatte darauf verzichtet. Er wollte nicht verstecken, was er war.
Je eher er diese Brautwerbung aus dem Weg hatte und zu dem Leben zurückkehren konnte, das er verstand, desto besser. Sein Blick schweifte über das farbenfrohe Gedränge. Aber plötzlich hielt er inne, wie gebannt.
Er packte Giles am Arm. „Wer ist das?“ Er flüsterte die Frage nur, starrte quer über die Tanzfläche, unfähig, den Blick abzuwenden.
Giles stieß einen erleichterten Seufzer aus. „Endlich! Äh, ich meine, ausgezeichnet. Ich wusste doch, dass der Frampton-Ball einiges an Unterhaltung bieten würde. Da gibt es Dutzende hübscher ... äh, pflichtbewusster junger Damen mit Verstand. Nicht, dass du an einer anderen als Lady Elinore Interesse hättest, das weiß ich. Aber es schadet ja nicht, sich umzusehen. Welche hat deine Aufmerksamkeit erregt?“
Welche? dachte Sebastian benommen. Da war nur eine. Giles mochte sagen, dass Dutzende hübscher Mädchen im Saal waren, vermutlich hatte er sogar recht. Aber diese junge Frau war nicht bloß hübsch, sie war schlicht und ergreifend atemberaubend. Unter den anderen stach sie wie ein Stern hervor, der zwischen Kerzen gelandet war.
Sie wirbelte am Arm ihres Partners über die Tanzfläche, lächelte ihm zu und schaute Sebastian dann einen Moment direkt in die Augen. Ihm stockte der Atem. Sie war von durchschnittlicher Größe, schlank, geschmeidig und vollkommen. Ihr Haar war golden - nicht blond oder flachsfarben, sondern fein gesponnenes Gold. Es umrahmte ihren Kopf in weichen Locken. Ihre Haut strahlte. Er konnte die genaue Farbe ihrer Augen aus dieser Entfernung nicht erkennen, aber sie waren groß und, so glaubte er, blau. Was ihr Gesicht anging, so hatte er keine Worte, es zu beschreiben; es war einfach das allerschönste Gesicht, das er je gesehen hatte.
Das Gesicht eines Engels, nur ohne die Selbstgefälligkeit und die künstliche Ruhe der gemalten Engel, die er gesehen hatte. Dieser Engel sprühte vor Lebensfreude und Übermut. Und vor Freude am Tanz.
Ein Blinder konnte sehen, dass sie zum Tanzen geboren war. Es war nur ein einfacher Ländler, die Figuren so vertraut, dass sie den meisten Menschen zur Routine geworden waren, aber sie - die personifizierte Anmut - brachte eine unverbrauchte Freude mit in den Reigen, die ansteckend war.
Sebastian beobachtete sie fasziniert. Bis jetzt hatte er Tanzen immer für Zeitverschwendung gehalten. Aber das hier war nicht die strenge Abfolge vorgegebener Schritte und Bewegun-gen, aus denen für ihn Tanzen bestand. Das hier war etwas ... Magisches.
Mit ungekünstelter Fröhlichkeit lachte sie ihren Partner an, und er lächelte zurück. Besitzergreifend. Sie wirbelte zu dem nächsten Tanzpartner weiter, und in ihr Gesicht trat neue Wärme. Sebastian schluckte. Der Empfänger ihres Lächelns zu sein ...
Ihr neuer Partner war ein rüstiger älterer Gentleman, elegant und weit über sechzig. Was hatte er getan, sich solch ... solch herzliche Vertrautheit mit diesem göttlichen Wesen zu verdienen?
Geistesabwesend zog Sebastian an seinem Halstuch, zerknitterte eine der streng geordneten Falten.
Der ältere Mann sagte etwas, und sie lachte wieder. Sebastian war sich ganz sicher, dass er es hören konnte, obwohl es im Saal laut war. Ihr Lachen, das wusste er, würde etwas Besonderes sein, wie das Wasser in einem Springbrunnen klingen, wie Regentropfen auf Diamanten ...
Es rief ihn. Rücksichtslos drängte er den Gedanken zurück.
Sie war
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