Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
Vom Netzwerk:
von ihnen um, und ganz bestimmt würde er sich dabei erwischen lassen. Im Knast würden dann wieder alle auf ihm rumtrampeln und so weiter. Bis in die Kiste. Hier endet der Trampelpfad, müßte auf seinem Grabstein stehen, falls er einen bekäme.
    Fünf Minuten später kam ich auf die Beine und betastete die blutige Kruste an meinem Hinterkopf.
    »Hast ja ’n ganz schönen Wumm in den Armen, Kleiner.«
    »Ich hab gesagt, verpiß dich.«
    Ich seufzte, tippte mir an die Stirn und wankte zur Bar. Kopf, Bauch, überhaupt alles in mir, was stimmberechtigt war, verlangte nach Schnaps. Ohne zu fragen, setzte ich eine Flasche Scotch an den Hals und als ich sie irgendwann absetzte, war aus dem Messer im Nacken ein Gummipfeil geworden. Am Thekenende saß der Dicke in Reizwäsche und starrte dumpf in meine Richtung. Schließlich hob er die Hand und winkte verstohlen. »Hätten Sie vielleicht Lust, ein Glas mit mir zu trinken?«
    Ich zwinkerte zurück, »Tut mir leid, hab meine Tage«
    und stolperte hinaus in den Regen.
    »Gina?«
    »Ja.«
    »Hier Kayankaya…«
    Sie lachte, und wir wechselten ein paar Takte über eine gemeinsame Bekannte, mit der sie den gestrigen Abend verbracht hatte und die recht ausführlich über mein angebliches Balzverhalten getratscht haben mußte. Gina und Slibulsky gehörten seit über sieben Jahren zusammen, und bis auf gelegentlichen Streit, klappte das hervorragend. Dabei fragte man sich, wie sie überhaupt den selben Gehweg benutzen konnten. Gina, knapp dreißig, studierte Archäologie, rettete Robben, las dicke Bücher und war nebenher Lehrerin an einer Tanz-  und Benimmschule für höhere Töchter. Zum Geldverdienen, behauptete sie. Ich war mir da nicht immer sicher. Unvergessen der Abend, an dem sie mir erklären wollte, wie Servietten gefaltet werden und warum. Auf der anderen Seite scherte sie Slibulskys Lebenswandel ebensowenig, wie es ihr egal war, ob sich außer ihr noch jemand für alte halbe Vasen interessierte.
    »… hör mal, Gina, Slibulsky hat mir erzählt, er hätte sich den Arm auf ’ner Treppe gebrochen. Weißt du zufällig, auf welcher Treppe?«
    »Na, im Puff.«
    »Genauer hat er das nicht beschrieben?«
    »Nein.«
    »Mhm. Und diese Erbschaft von der Tante in Berlin, weißt du da was drüber?«
    »Was soll’s da zu wissen geben? Hat er seine Schulden mit bezahlt. Warum?«
    »Ach… nur so.«
    »Is irgendwas?«
    Der Regen trommelte wie Golfbälle gegen die Scheiben, und um die Telefonzelle herum hatte sich ein kleiner See gebildet.
    »… nein, nein, ich… ich will ihm nur ’n Steuerberater vermitteln, und der braucht paar Vorinformationen… Was für Schulden waren das denn?«
    Sie pustete schnippisch. »Schulden eben.«
    »Und wie hoch war die Erbschaft?«
    »Fünfzigtausend.«
    Jetzt pustete ich. »Wann hat er die bekommen?«
    »Im Januar. Aber die Steuern waren schon abgezogen.«
    »… ach so - ja, dann wird das den Steuerberater wohl kaum interessieren… Danke, Gina, und behalt das Gespräch für dich. Ich will Slibulsky die Beratung sozusagen… na, zum Geburtstag schenken.«
    »Mußt es ja dicke haben.«
    »Ja, ja, im Moment… Also, bis bald.«
    Der Himmel schien immer schwärzer zu werden. Eine Weile starrte ich vor mich hin, bis ich die Tür aufzog und über die Pfützen zum Wagen sprang. Vielleicht war Frau Olga eine Schreckschraube, aber unter Hirngespinsten litt sie nicht.

8
    Es war kurz nach halb fünf, als ich in Gellersheim einfuhr. Zehn Minuten später hatte ich den Rosenacker gefunden; eine vom Ortskern abgelegene Straße, die den Eindruck vermittelte, ein paar Halbreiche hätten sich überlegt, wie Ganzreiche wohnen müßten. Die Namensschilder an den Einfahrten waren zu groß, die Einfahrten selbst zu klein, und jede Villa sah anders aus: manche völlig rund, andere mit Spitzbögen oder bayrischem Holzschnickschnack. Vor einem windschnittigen Flachbau stand ein riesiger Fahnenmast mit der Fahne Theo Manz Cinemaproduction, bei näherem Hinsehen erwies sich die Fahne aus Plastik, und an der Gartenpforte waren die Klinken gespart. Ich mußte an einen Filmfritzen denken, für den ich mal eine Woche lang die zukünftige Gattin beschattet hatte. Er wollte wissen, ob sie sein Geld in Boutiquen und Buchhandlungen verplempern würde. Anschließend konnte er mich nicht bezahlen, weil er gerade ein Projekt in den Sand gesetzt hatte. Trotzdem, so hatte er mir erklärt, solle ich über die Bekanntschaft froh sein, denn für ihn wäre es kein Problem, mir im

Weitere Kostenlose Bücher