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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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da.«
    »Nein, ich meine nicht Dolores. Ich meine… ach, leck mich doch am Arsch.«
    Ich ließ die Arme sinken und zog meine Zigaretten aus der Tasche. Entgeistert verfolgte er, wie ich das Streichholz auswedelte und es in seinen Stiftehalter schnippte.
    »Und nun? Wollen Sie jemanden abknallen, nur weil er ohne anzuklopfen in Ihr Büro gelatscht ist? Ich bin hier, weil ich eine Frau suche - ich meine, die ist schon so geboren, klar? Jetzt sagen Sie mir einfach, ob sich so ein Wesen hier aufhält oder nicht?«
    Ganz langsam verschwanden die Beine vom Tisch. Er setzte sich auf und umfaßte die Pistole mit beiden Händen. Sie zielte auf meine Stirn. Die eben noch glänzenden Augen waren trocken und kalt, die Stimme schneidend.
    »Merr sin net etwa ’n Bulle?«
    »Seh ich so aus?«
    Er zog die Oberlippe verächtlich hoch.
    »Wie e klaa versoffene Ratt siehst aus.«
    Der Himmel hatte sich verdunkelt, und ein Gewitter war im Anrollen. Mein Bedarf an halbseidenen Schwätzern war für heute gedeckt.
    Ich deutete auf seine Nase: »Da hängt Ihnen was raus.« Im ersten Moment schien er nicht zu verstehen. Dann faßte er sich reflexartig ins Gesicht und schielte nach unten. Der erste Schlag riß ihm die Pistole aus der Hand, der zweite beschädigte sein braungebranntes Kinn, und ein dritter ließ ihn nach Luft schnappen.
    Ich nahm die Pistole und setzte mich auf die Schreibtischkante. »… so, und jetzt probieren wir das noch mal von vorn. Ist die Frau hier?«
    In den Sessel gekrümmt, die eine Hand am Unterkiefer, die andere auf dem Bauch, starrte er mich ungläubig an. Schließlich bewegte er vorsichtig den Kopf hin und her und stöhnte: »Du hast ’ne Meise.«
    »Ja oder nein reicht schon. Wird hier mit gefälschten Ausweisen gehandelt?«
    »Gefälschte Aasweis?!« Er löste die Hand vom Kiefer und fuhr über die High-Tech-Landschaft. »Isch verdien ’ne halbe Million im Jahr, nur annä Börs. Was sollt isch dann so’n Scheiß mache?«
    »Es ging Ihnen aber ziemlich nahe, die Idee, ich könnte ein Bulle sein.«
    »Na und? Isch mag eusch Jungs nu ma net. Is köbberlisch. Un weil du iwwerhaapt kaa Rescht hast, hier rein zu komme. Die Geschischt is drei Jahr her. Der Laden is absolut saubä, net mal ’n verbodenes Viddeo.«
    »Welche Geschichte?«
    »Ei, tu doch net so schlau! Die mit dem Bürschche da. Kaa seschzehn, oddä was er war - des hinnerlistische…«
    Mitten im Satz ging unterm Minipli die Sonne auf. Und während ich noch überlegte, was ihn plötzlich so glücklich machte, schlug bei mir der Blitz ein, durchs Rückgrat geradewegs in die Fußspitzen. Einen grellen Schein im Kopf und das Gefühl, ins Nichts zu fallen, hörte ich von weither seine Stimme: »Komm her, mein Schatz, dadefier hast du aan Kuß verdient.«
    Ein endloser steiler Abhang, und ich fuhr wie der Teufel. Niemand und nichts konnte mich aufhalten. Nicht mal ich selber. Alles war weiß. Kein Himmel, keine Sonne, kein Baum. Nur weiß. Die Bretter trugen mich so schnell über den Schnee, daß mir keine Zeit blieb zu atmen. Stöcke hatte ich nicht. Es ging abwärts, immer weiter abwärts, das Herz rutschte mir in den Kopf. Doch auf einmal war gar nichts mehr weiß, sondern alles war schwarz, und am Ende ein riesiger Abgrund. Ich konnte nicht stoppen, mein Körper war wie gefühllos, und ein betäubendes Geräusch legte sich über alles. Ein Sausen wie von tausend Feuerstürmen.
    Ich schlug die Augen auf. Keine zwanzig Zentimeter vor mir fuhr ein Staubsauger hin und her. Dahinter, in der einen Hand den Staubsaugergriff, in der anderen eine Pistole, die Viertelportion. Seine großen Augen betrachteten mich traurig. Ich versuchte, meinen Kopf zu bewegen. Es war, als hätte mir einer ein Messer in den Nacken gesteckt. Vorsichtig hievte ich mich auf den Hosenboden. Sie hatten mich in eine Ecke vom Barraum gekehrt. Die schmutzigen Gläser waren verschwunden, die Stühle auf dem Boden, und es roch nach Veilchen. Der Staubsauger umkurvte meine Füße. Ich kniff die Augen zusammen.
    »Is nich langsam sauber genug? Oder kommt Mutti zu Besuch?«
    Das Ungeheuer weiter hin und her schiebend, zischte er: »Verpiß dich. Ich mach meine Arbeit.«
    Die Pistole schwenkte Richtung Eingangstür. Ich nickte gequält.
    »Schon gut, schon gut.«
    Ich war sicher nicht der erste und auch nicht der letzte, der schlechte Witze über ihn riß. Ich malte mir aus, wie Ledermaxen vom Schlage Gerhards tagtäglich auf ihm rumtrampelten. Wahrscheinlich brachte er irgendwann einen

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