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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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rein technischen Frage, Herr Fips. Ich meine, wie können Sie sich auf Ihren zu lesenden Text konzentrieren, während Sie gleichzeitig versuchen, mit Ihrer Stirn ein Loch in die Tischplatte zu schlagen? Schon allein vom Rhythmus …‹ ›In meinem Herzen wohnt ein Maschinengewehr, und meine Texte sind Salvenfeuer im Dunkel der Zukunft.‹ ›… ja, mhmhm, sehr hübsch. Aber Sie haben meine Frage nicht beantwortet. Vielleicht könnten Sie in dem Zusammenhang auch ein Wort zu den Sichtverhältnissen sagen. Was machen Sie, wenn Ihnen das Blut über die Augen läuft? Haben Sie so Schweißmanschetten zum Abwischen wie Tennisspieler, oder spritzt das zu den Seiten weg?‹ ›In meinem Herzen wohnt ein Maschinengewehr, und meine Worte sind Salvenfeuer im Dunkel der Zukunft - wenn Sie wollen, kann ich dazu eine Versfolge, die auch Ihre Frage beantworten wird, vortragen.‹ ›Äh … na ja, warum nicht. Allerdings, bitte keine Flecken auf den Teppich …‹ krzzzzzzzfgnerzzzz … ›gestrige Rede des Bundespräsidenten, Freude durch Frieden, zum Auftakt des Natomanövers Friendly Touch fand national wie international großen Anklang …‹
    Ich drehte ab. Beim Radio müßte man arbeiten. Es gibt wohl kaum etwas, was zum Bessermachen stärker animiert, und ich kenne wenige, die nicht mindestens hundertmal am Steuer oder hinterm Ladentisch überlegt haben, wie sich ein vernünftiges Programm anhören müßte. Wahrscheinlich überlegen das sogar die Leute, die tatsächlich beim Radio arbeiten; sitzen vorm Plattenteller, schmeißen ›Tommy und die Oberländer Gaudibläser‹ drauf und denken, beim Radio müßte man arbeiten.
    Zwanzig Kilometer später passierte ich das Dietzenbacher Ortsschild. Ich fuhr den Opel an den Rinnstein, stieg aus und schaute mich um. Ein Vogel, irgendwo ein Moped und irgendwo anders ein Rasenmäher. Als würden sämtliche Bewohner ihre Stadt beerdigen. Der Leichnam lag hergerichtet vor mir: gewienerte Gardinenfenster, glänzende Briefkästen, Vorgärten wie nach Schnittmustern angelegt, keimfreie Bürgersteige. Die abgestellten Autos vermittelten den Eindruck, als kämen sie gerade aus der Styroporverpackung. Ich mag deutsche Kleinstädte. Sie geben mir das Gefühl, ein paar Sachen richtig gemacht zu haben. Berufsverkehr, Winterschlußverkauf, lärmende Nachbarn, und auch die Bauarbeiten zur Erweiterung der Frankfurter U-Bahn direkt unter meinem Fenster schon seit über einem Jahr erschienen hier in ganz neuem Licht.
    Ich lief etwa fünfzig Meter die Straße hinunter bis zu einem Jägerzaun und einem Mann, der das Nummernschild seines BMW mit einer Zahnbürste säuberte.
    »Guten Tag.«
    Der Mann blickte hoch und bekam diesen Zug ins Gesicht, den sie alle bekommen, wenn sie neben ihrem Auto in ihrem Vorgarten hinter dem Jägerzaun stehen und glauben, einer könnte weniger oder gar nichts von dem haben, was sie haben. Mit der Zahnbürste wedelnd, kam er auf mich zu: »Nix brauchen, nix kaufen!«
    »Hat er Karies oder stinkt er einfach nur’n bißchen aus dem Maul?«
    »Wer stinkt hier?«
    Mit geblähter Brust und vorgestrecktem Kinn blieb er vor mir stehen.
    »Ihr Freund da, mit den Gummifüßen und dem Rohr im Arsch.«
    Er wandte sich um und wieder zurück und betrachtete mich irritiert. Die Rechte lockernd, wie ein Gewichtheber, wiederholte er dann »Nix brauchen, nix kaufen«. Und nachdem ich keine Anstalten machte zu gehen, noch ein drittes Mal, brüllend für ganz Dietzenbach: »Nix brauchen, nix kaufen!«
    »Ganz prima, aber das können wir jetzt. Zweite Lektion: Wie komme ich zum AFTER HOURS? Und wenn’s geht bißchen flüssiger.«
    Er hielt inne in einer Bewegung, die alles mögliche hätte werden können. Langsam, einen Fuß hinter den anderen setzend, entfernte er sich Richtung BMW.
    »Hau ab! Mach, daß du hier wegkommst!« Seine Stimme überschlug sich. »Du hast mich doch hoffentlich nicht angehustet, du…?!«
    Mit der einen Hand simulierte ich, wie der Scheibenwischer funktioniert, mit der anderen fingerte ich einen Zettel aus der Hosentasche. »Hirschgraben siebzehn. Erklären Sie mir den Weg, oder ich spuck in Ihre Tulpen.«
    Die Zahnbürste wie ein Kreuz vor die Brust haltend, lehnte er bleich am Kühler. »… geradeaus, zweite Ampel rechts, nach hundert Metern die rosa Leuchtreklame…«
    »Vielen Dank.« Ich winkte. »Und immer schön Deutsch lernen. Man fühlt sich ja gar nicht mehr wie zu Hause.«
    Eine schwere dunkelbraune Holztür mit verspiegeltem Guckloch, links die

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