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Ein Mann ein Mord

Ein Mann ein Mord

Titel: Ein Mann ein Mord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jakob Arjouni
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nächsten Film eine kleine Rolle zuzuschanzen. Als ich sagte, ich wolle keine Rolle, sondern mein Honorar, war er ›irgendwie echt total überrascht‹, wie er es ausdrückte. Was Sprache und Kleidung betraf, hatte der vierzigjährige Volvo-  und Penthousebesitzer ein unbändiges Bedürfnis gehabt, wie ein abiturnaher Autostopper auf dem Weg nach Süden zu wirken. Mein Honorar war nach und nach in Raten zu hundert Mark eingetroffen, in etwa den gleichen Abständen wie ich ihn auf der Freßgass vor rotem Fisch und Blubberwein sitzen sah.
    Haus Nummer sechs nahm sich in der Gegend angenehm normal aus. Der zweistöckige Backsteinkasten mit weinüberrankter Terrasse stand in einem großen gepflegten Garten mit Teich und zwei Auffahrten. Eine, versteckt hinter Hagebuttensträuchern, für Personal und Lieferung an der Seite, die andere zur Straße mit hellem, von Rosen und schmiedeeisernen Laternen gesäumtem Kies. Durch das schwarze Eingangsgitter sah man Reifenspuren. Sonst deutete nichts darauf hin, daß sich hier außer einem Gärtner seit längerer Zeit jemand aufgehalten hätte. Sämtliche Rolläden waren heruntergelassen, der Briefkasten quoll über mit Reklame, und nichts unterbrach das naßglitzernde Grün des Rasens. Mir wäre lieber gewesen, das Gewitter hätte noch eine Weile angehalten. Im strahlenden Sonnenlicht hatte ich das unangenehme Gefühl, jede meiner Bewegungen könnte kilometerweit gesehen werden. Zumindest Frau Olga, deren Nachbarvilla mit rosa Türmchen wie eine amerikanische Miniausführung vom Heidelberger Schloß wirkte, konnte nichts verborgen bleiben.
    Am Briefkasten stand ›Dr. Schelling‹. Ich tat, als hätte ich mich in der Hausnummer geirrt, und lief an der Personalauffahrt vorbei die Straße hinunter. Zehn Meter weiter machte ich kehrt, rannte zurück, warf mich über das Holzgatter und landete in einem Elektrodraht. Er spannte sich, gehalten von Plastikstäben, etwa zwanzig Zentimeter über dem Boden ringsrum die Grundstücksmauern entlang und führte an den Ecken in kleine graue Kästen. Ich stand auf und rannte hinter den nächsten Baum. Nichts rührte sich. Die Alarmanlage mußte abgeschaltet sein. Geduckt sprang ich über Blumenbeete, schmiß ein paar Gartenmöbel um, lief zur Terrasse und drückte mich gegen die gläserne Schiebetür. Die Hände über der Stirn, versuchte ich den Innenraum mit Couchgarnitur und Fernseher zu erkunden. Als ich zur Seite rutschte, ging die Tür mit. Ich stutzte. Dann schaute ich mich um und trat ein.
    Statt des kühlen Möbelmiefs leerstehender Häuser, schlug mir abgestandener Essensgeruch entgegen. Dazwischen der Zitronenduft eines Herrenparfums. Ich horchte. Eine Wanduhr tickte, und irgendwo brummte ein Kühlschrank. Dann faßte ich an die Heizung. Sie war abgestellt, aber noch warm. Was ich von draußen nicht hatte sehen können: im Flur brannte Licht. Vorsichtig bewegte ich mich zur Tür, lehnte mich gegen den Rahmen und zog die Beretta. An Einbauküche und Toilette vorbei gelangte ich zur Treppe. Auf halbem Weg nach oben bemerkte ich schräg unter mir die Kellertür. Sie stand einen Spalt offen, dahinter brannte ebenfalls Licht. Ich schlich zurück, entsicherte die Pistole und stieg die Stufen hinunter in einen Saal mit Tischfußball, Flipper und zehn Meter langem Eßtisch. Auf dem Tisch standen ein riesiger Blecheimer und etwa dreißig Teller mit Eintopfresten und Brot. Besteck lag am Boden, mehrere Stühle waren umgekippt, der Flipper zeigte noch drei Spiele an, plus die Kugel im Lauf. Ich durchquerte den Saal und schob einen grauen Filzvorhang beiseite. Ein schmaler, gelb beleuchteter Flur schloß sich an, links und rechts gingen Zimmer ab. In jedem der circa acht Quadratmeter großen Räume befanden sich drei Armeebetten, ein Waschbecken und eine Garagenlampe. Nur im letzten Raum links befand sich noch etwas anderes. Er lag auf dem Bauch, war bis auf die Strümpfe ausgezogen, und seine graue Haut war an den Armen mit Frauen und Waffen tätowiert. Im Gesicht den Ausdruck von Überraschung, stand der Mund unter dem Schnurrbart offen, als wollte er gleich ›Aber…?‹ oder so was sagen. Aber er sagte nichts, und er würde überhaupt nie mehr etwas sagen: man hatte ihm das Genick gebrochen.
    Ich fühlte den Puls und schlug den Toten in eine Decke. Dann durchsuchte ich seine Kleider, die auf dem Boden verstreut lagen. Er hatte weder Brieftasche noch Adreßbuch bei sich, nur eine Schachtel Streichhölzer, ein halbes Päckchen Zigaretten und

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