Ein Mann für alle Lagen
Schlimmste ausgemalt und darüber gegrübelt, wieso sie sich von Jessie dazu hatte überreden lassen, sich sogar noch aufreizende Unterwäsche zu kaufen. Der Anblick des Ortes riss sie aus diesen Gedanken.
Die schattigen alten Straßen waren von dicken Bäumen gesäumt, und die alten Ladenfronten waren erhalten und neu gestrichen worden. Eisenwaren, Lebensmittel, ein Imbiss und andere Geschäfte, die sicher seit Generationen denselben Familien gehörten. Kate fühlte sich wie in einem Bilderbuch.
In so einer Kleinstadt wäre ich gern aufgewachsen, dachte sie. Es wirkt so anheimelnd, und vielleicht wäre mein Leben anders verlaufen, wenn ich in Toby’s Corners geboren wäre.
Energisch verdrängte sie diese Gedanken. Reiß dich zusammen, sagte sie sich. Du hast ein Ziel und einen Plan.
Sie bog von der Hauptstraße ab und folgte einer gewundenen Straße durch den Wald. Das Sonnenlicht drang gedämpft durch das Blätterdach, und es roch nach Holz. Unwillkürlich erschauerte Kate. Irgendwie ist es hier aufregend, dachte sie. Und ich werde meinem Plan folgen. Ohne Angst, genau wie Jessie. Vielleicht gehe ich morgen ganz früh sogar nackt im See baden.
Dann fuhr sie um die letzte Kurve und vergaß ihre Vorsätze sofort.
Das Freizeitgelände lag vor ihr und wirkte viel größer als im Katalog. Zahllose kleine Apartmenthäuser waren in unterschiedlichen Winkeln angeordnet, und jedes Häuschen besaß eine eigene Sonnenterrasse. O nein, dachte Kate, das ist mir alles viel zu groß.
Noch dazu liefen hier unzählige Menschen herum. Wenn sie hier nackt badete, würde sie am Tag darauf in jeder Zeitung der Gegend erscheinen. Sie sah die Schlagzeilen schon vor sich.
Aufseufzend hielt sie neben dem Hoteleingang an.
Ich hasse es, dachte sie, stieg aus und betrat die Eingangshalle. Einer der vielen gut aussehenden vornehmen Männer, die laut Jessie hier überall waren, hielt ihr lächelnd die Tür auf. Eins nach dem anderen, dachte Kate und ging an ihm vorbei.
Der Hotelmanager begrüßte sie mit einem Lächeln. „Willkommen in ‘The Cabins’, Miss Svenson. Ich bin Will Templeton und freue mich, dass Sie hier sind.“
Fast hätte Kate ihn gefragt, wieso. Will Templeton war groß, gebräunt und gut aussehend, doch bestimmt freute er sich weniger über Kate als über die Kreditkarte, die sie dabei hatte.
„Sicher wollen Sie meine Kreditkarte sehen“, sagte sie.
„Nein, nein, das ist alles schon geregelt. Sie wohnen in Nummer 9a. An den Tennisplätzen entlang und hinter dem Crocketplatz. Sie können Ihren Wagen direkt hinter dem Häuschen abstellen.“
Es hätte schlimmer kommen können. Wenigstens musste sie nicht hier im Hotel unter all diesen vielen Menschen wohnen.
Hinter ihr ertönte eine helle Stimme. „Sagten Sie gerade 9a?“
Der Manager lächelte. „Das stimmt, Miss Craft.“ Kate drehte sich um.
Miss Craft war jung, blond und sah wie eine Barbiepuppe aus. Ihre Augen waren hellblau, sie besaß eine kleine Stupsnase, und ihre vollen Lippen schienen ständig zu lächeln. Sie sah aus wie neunzehn.
Toll, dachte Kate. Das ist also die Konkurrenz. Die trägt bestimmt gar keine Unterwäsche.
„Ich bin Penny Craft“, sagte die Barbiepuppe und streckte die Hand aus. „Ich wohne direkt neben Ihnen in 9b.“
„Oh, schön“, erwiderte Kate.
„Könnten Sie mich, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mitnehmen? Mit meinem Gepäck? Die Kofferjungen hier sind schwer beschäftigt …“
„Kein Problem“, sagte Kate. „Mit Vergnügen.“ Sie ließ sich von Will den Schlüssel geben und versuchte, nicht auf ihn zu achten, als er hinter ihnen herrief: „Vergessen Sie nicht, dass heute Abend unsere Hawaii–Party steigt, Ladies.“
„Bestimmt nicht“, rief Penny Craft zurück.
Gepäck sagt viel über die Menschen, stellte Kate fest, als sie Penny zu ihrem Wagen brachte. Sie selbst hatte einen grauen Koffer und eine Aktentasche bei sich. Penny schleppte fünf pinkfarbene Gepäckstücke mit sich. Rate mal, wer von uns beiden den größeren Spaß hat? dachte Kate, als sie das Gepäck verstaute. Dann fuhr sie langsam zu dem Ferienhaus, wobei sie auf die vielen Leute Rücksicht nehmen musste, die sich anscheinend so blendend amüsierten, dass sie hier am liebsten überfahren werden wollten.
„Zu viele Menschen“, stellte Kate fest.
„Oh nein“, widersprach Penny und winkte jemandem zu. „Ich liebe Menschen.“
„Das habe ich mir schon gedacht.“
Penny lächelte ihr zu. „Bei den Ferienhäuschen soll es viel
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