Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
zerbröckelte lautlos – ein Schutzwall, den sie instinktiv über die Jahre hin aufgebaut hatte. Sie durfte seine Worte nicht zu ernst nehmen. Er war schließlich noch immer Carlo Franconi. Wenn er sich wirklich etwas aus ihr machte, dann nur in der ihm eigenen Art, innerhalb seines Zeitgefühls. Dennoch war etwas in ihr zusammengefallen, und so schnell würde es sich nicht wieder aufbauen lassen. Nur mit Direktheit konnte sie sich jetzt noch schützen.
„Carlo, ich weiß nicht, wie ich dich einschätzen und mit dir umgehen soll. Dafür habe ich nicht genügend Erfahrung.“
„Dann versuche eben nicht, mich einzuschätzen.“ Wieder fasste er sie bei den Schultern. „Vertrau mir.“
Sie legte ihre Hände auf seine, hielt einen Moment seine Finger, schob seine Hände dann fort. „Es geht zu schnell. Und es ist zu viel.“
Bei seiner Arbeit gab es Zeiten, in denen er sehr viel Geduld beweisen musste. Als Mann hatte er diese Erfahrung bisher nur selten gemacht. Und doch wusste er – würde er sie jetzt drängen, so wie er es aus einem ihm unbegreiflichen Grund tun wollte, würde er den Graben zwischen ihnen nur weiter aufreißen und die Distanz vergrößern. „Dann sollten wir für den Moment einfach unsere gemeinsame Zeit genießen.“
Das war es, was sie wollte, sagte Juliet sich. Es war genau das, was sie wollte, nicht mehr und nicht weniger. Trotzdem fühlte sie sich den Tränen nahe.
„Ja, kosten wir die Zeit aus, die wir miteinander haben“, stimmte sie zu. Sie stieß einen Seufzer aus und nahm sein Gesicht in beide Hände, so wie er es oft bei ihr tat. „Bis zur Neige.“
Als er seine Stirn an ihre legte, fragte er sich, warum ihn ihre Antwort nicht wirklich zufriedenstellte.
9. KAPITEL
A usgelaugt von der Reise, sich auf einen ruhigen Drink mit hochgelegten Füßen freuend, steuerte Juliet auf die Rezeption in dem Hotel in Chicago zu. Ein schneller Blick durch die Lobby, und sie war höchst zufrieden. Marmorne Böden, klassische Statuen und elegant wirkende große Topfpflanzen – in solchen Hotels gab es meist auch große, mit allem Komfort ausgestattete Badezimmer. Sie nahm sich fest vor, ihre erste Stunde in Chicago in einem heißen, prickelnden Schaumbad zu verbringen.
„Kann ich Ihnen helfen?“
„Sie haben eine Reservierung auf die Namen Franconi und Trent.“
Mit wenigen Anschlägen auf dem Keyboard rief die Hotelangestellte die Reservierungen auf den Monitor. „Sie beide bleiben zwei Nächte, Miss Trent?“
„Ja, das ist richtig.“
„Bitte begleichen Sie die Rechnung im Voraus. Die Zimmer sind vorbereitet. Wenn Sie und Mr Franconi noch die Anmeldung ausfüllen wollen ...? Ich werde den Pagen rufen, damit er Ihr Gepäck nach oben bringt.“
Während er das Formular ausfüllte, warf Carlo einen Seitenblick zu Juliet. Im Profil sah sie liebreizend aus, vielleicht ein wenig müde. Das Haar hatte sie im Nacken aufgesteckt, einige Strähnen umschmeichelten an den Seiten ihren Hals. Weder ihr noch der Frisur sah man die Reise an. Juliet wirkte, als könnte sie gleich im Anschluss noch eine dreistündige Geschäftskonferenz ohne einen Laut der Klage durchhalten. Aber dann drückte sie ihren Rücken durch, schloss kurz die Augen und lockerte die Schultern. Sie war tatsächlich völlig erschöpft, stellte Carlo fest, und empfand den Wunsch, sich unbedingt um sie zu kümmern.
„Juliet, es besteht keine Notwendigkeit für zwei Zimmer.
Sie schob ihre Tasche höher auf die Schulter und unterschrieb das Formular. „Carlo, fang erst gar nicht damit an. Alles ist arrangiert.“
„Aber das ist doch absurd. Du schläfst so oder so in meiner Suite, also ist das zweite Zimmer völlig unnütz.“
Die Hotelmitarbeiterin stand in diskreter Entfernung und verfolgte jedes Wort genauestens mit.
Juliet holte ihre Kreditkarte hervor und ließ sie mit einem leisen Laut auf den Tresen schnippen. Amüsiert stellte Carlo fest, dass plötzlich jegliches Anzeichen von Müdigkeit bei ihr verschwunden war. Er wollte sie lieben, stundenlang.
„Sie werden den Ausdruck für die weiteren Spesen brauchen“, sagte sie relativ ruhig zu der Angestellten. „Setzen Sie auch bitte alle von Mr Franconis Kosten mit hinzu.“
Carlo schob sein ausgefülltes Formular der Rezeptionistin zu und lehnte sich an den Tresen. „Juliet, kommst du dir nicht lächerlich dabei vor, ständig über den Flur hin- und herzurennen? Selbst für einen großen Verlag ist es albern, für ein leer stehendes Zimmer zu zahlen und für
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