Ein Mann für alle Sinne - Roberts, N: Mann für alle Sinne
fallen gelassen, über Leute und Gerichte wurde geschimpft, „Hektik“ stand als Hauptgericht auf der Karte. Die große Herausforderung war, die Gäste nichts davon spüren zu lassen. Kellner, beladen mit vollen Tabletts, hasteten herein und hinaus, rauschten durch den Raum und verlangten lautstark nach ihren Bestellungen. Während Juliet das Schauspiel mit großen Augen verfolgte, ignorierte Carlo seine Umgebung völlig. Es war an der Zeit, seine Pasta zuzubereiten.
Wenn man ihr ein Nudelgericht nicht fertig präpariert auf einem Teller vorsetzte, so dachte Juliet bei Pasta grundsätzlich an Supermarktregale, aus denen man sich die in Pakete oder Schachteln sortierten Nudeln herausnahm und in den Einkaufskorb legte. Jetzt erfuhr sie, dass es ganz anders war. Ihre Hände waren weiß vom Mehl bis an die Handgelenke. Carlo ließ sie abmessen und walken und ausrollen, bis ihre Ellbogen knackten. Es hatte nicht das Geringste mit dem Fünf-Minuten-Unternehmen zu tun, an das sie gewöhnt war.
Und während sie knetete und walkte, wurde ihr klar, woher er seine Kondition hatte. Wenn man kochte wie Franconi und sich damit seinen Lebensunterhalt verdiente, verbrauchte man die gleiche Energie wie ein Hochleistungssportler. Bis der Pastateig Carlos Billigung erhalten hatte, schmerzten Juliets Rückenmuskeln wie nach einem anstrengenden Tennismatch.
Sie blies sich eine Strähne aus dem Auge, wischte sich den Schweiß von der Stirn und wandte sich zu ihm um. „Und jetzt?“
„Jetzt kochst du die Pasta.“
Sie füllte eine Kasserolle mit Wasser und stellte sie auf den Herd.
„Einen Löffel Salz hinzu“, instruierte Carlo.
„Ein Löffel Salz“, murmelte sie und gab das Salz in den Topf. Als sie sich wieder umdrehte, hielt er ihr ein Glas spritzigen Weiswein hin.
„Bis das Wasser anfängt zu kochen, entspannst du dich.“
„Muss ich die Hitze nicht herunterdrehen?“
Er lachte und küsste sie, entschied dann, dass es angebracht war, sie noch einmal zu küssen. Sie roch paradiesisch. „Weiß steht dir.“ Er wischte einen Mehlklecks von ihrer Nase. „Du bist ein ebenso unordentlicher wie erstaunlicher Küchenjunge, meine Liebe.“
Es fiel nicht schwer, die laute, hektische Küche zu vergessen. „Küchenjunge?“ Sie rückte die hohe weiße Mütze zurecht. „Heißt es nicht Chefkoch?“
Er küsste sie noch einmal. „Werde nicht übermütig. Einmal Linguini zubereiten macht noch keinen Chefkoch.“
Sie hatte ihren Wein kaum ausgetrunken, als er sie schon wieder an die Arbeit scheuchte.
„Jetzt dreh den Teig durch die Nudelmaschine. Genau, so ist es richtig. Wenn die Hälfte durch ist, drücke den Rest nach. Vorsichtig. Ja, so. Du hast das richtige Händchen dafür. Noch ein bisschen mehr Übung, und ich stelle dich vielleicht sogar in meinem Restaurant ein.“
„Nein, danke“, lehnte sie entschieden ab, als der heiße Wasserdampf ihr ins Gesicht stieg. Sie konnte fast fühlen, wie sich jede einzelne Hautpore öffnete.
„Die Pasta ins Wasser gleiten lassen, leicht rühren und genau zweieinhalb Minuten kochen, keinen Moment länger.“ Er schenkte Wein in ihr Glas nach und küsste sie auf die Wange.
Sie rührte und goss dann ab, maß Petersilie ab, streute Käse. Als sie damit fertig war, hätte sie geschworen, keinen Bissen herunterzubekommen. Sie war tatsächlich nervös, stellte sie erstaunt fest. Unsicher wie eine frischgebackene Ehefrau am ersten Tag in ihrer Küche.
Die Hände verschränkt, sah sie Carlo zu, wie er eine Gabel nahm und die Nudeln aufdrehte. Mit geschlossenen Augen atmete er das Aroma ein. Juliet schluckte. Die Augen noch immer geschlossen, führte er die Gabel in den Mund und probierte. Juliet kaute an ihrer Lippe. Bis dahin war ihr nicht aufgefallen, dass es in der Küche still wie in einer Kathedrale geworden war. Ein schneller Blick in die Runde sagte ihr, dass jegliche Aktivität eingestellt worden war und aller Augen auf Carlo lagen. Sie fühlte sich, als warte sie auf das Urteil des Jüngsten Gerichts.
„Und?“, fragte sie, als sie es nicht mehr aushielt.
„Geduld“, mahnte Carlo leise, ohne die Lider zu heben. Ein Kellner rauschte herein und verharrte unter dem „Pst!“ und „Schsch!“ von allen Seiten sofort in absoluter Reglosigkeit.
Endlich öffnete Carlo die Augen und legte vorsichtig die Gabel ab. „Fantastico ! Er fasste Juliet bei den Schultern und küsste sie, von aufbrandendem Applaus begleitet, feierlich auf beide Wangen.
Lachend zog sie sich
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