Ein Mann fürs Grobe
Frau bedroht, betrogen und verlassen hatte. «Sie wissen sicherlich, daß ich von Frau Broch einiges gehört habe, Ihre Ehe betreffend...»
«Meinen Sie wirklich, den Pulitzerpreis dafür zu erhalten, wenn Sie das veröffentlichen? Meine Anwälte freuen sich schon.»
«Ihre Frau könnte immerhin ermordet worden sein...» Heike hatte sich entschlossen, ihren Trumpf auf den Tisch zu legen.
Bornschein zeigte keinerlei Emotionen. «Zum Glück nicht von mir, denn ich war in der fraglichen Zeit am östlichen Ende Europas, und in der Türkei gibt es genügend Zeugen dafür.»
«Was fürchten Sie dann?»
«Diese Frage zu beantworten hieße, Ihnen jede Intelligenz absprechen zu wollen.»
Heike steckte es weg. «Wenn Sie verhindern wollen, daß Ihr lauter Ruf beschädigt wird, dann helfen Sie mir und der Polizei doch bitte, Ihre Frau zu finden. Nichts ist doch besser für Sie, als wenn wir Sie zeigen, wie Sie durch Berlin laufen und nach ihr suchen, voller Verzweiflung, tief erschüttert.»
«Populismus dieser Art ist mir zuwider. Ich brauche niemanden, der mich wählen muß, damit ich oben bleibe. Was ich will, ist Diskretion. Und mein Fehler war, nicht schon im Vorfeld zu verhindern, daß über das Verschwinden meiner Frau etwas bekanntgeworden ist. Hätte ich geahnt, daß noch drei weitere Manager in Berlin verschwunden sind und Sie in reißerischer Weise darüber berichten wollten, wären Sie vielleicht gebeten worden, sich gezielt als Moderatorin bei ENTER-EINS zu bewerben. Das ist der Sender, bei dem wir gerade die Aktienmehrheit erworben haben. Schöne Talk-Shows gibt es da...» Er sah sie prüfend an.
Heike lächelte. «Eine Sache, die ich schon seit langem reizvoll finde... Vielleicht kann man das eine tun, ohne das andere zu lassen...» Was heißen sollte: Ihre Frau und ihren möglichen Mörder zu suchen, davon lasse ich nicht ab, gleichzeitig aber will ich alles tun, Sie weithin aus dem Spiel zu lassen und generell zu schonen. Und immer dann, wenn Ihr Name unvermeidlich fallen muß, sollen Sie als Ehrenmann dastehen, als liebevoller Gatte und trauernder Witwer, der das alles nie verwinden wird.
«Gut», sagte Bornschein. «Dann arrangiere ich das. Sie bekommen eine Nachricht, wann und wo die Probeaufnahmen stattfinden werden. Und wenn Sie nachher die ‹NordConsulting› besuchen, dann denken Sie bitte daran, daß das Unternehmen tiefrote Zahlen schreibt und eine negative Presse das endgültige Aus bedeuten könnte. Dabei geht es mir nicht nur darum, meiner Frau den Arbeitsplatz zu sichern, sondern um die Gelder, die wir in der ‹NordConsulting› investiert haben und die wir nicht gerne verlieren möchten.»
Heike versprach es und verließ Norbert Bornschein mit sehr gemischten Gefühlen.
Das Gebäude der «NordConsulting» am Wall war um einiges beeindruckender als Friedhelm Fokken, der Chef des Ganzen. Zwar war er Diplompolitologe und hatte einige Zeit am renommierten Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin gearbeitet, konnte aber nicht vergessen machen, daß er nichts weiter war als ein biederer Parteisoldat, der sich vom Kassierer und Ortsvereinsvorsitzenden durch absolute Unauffälligkeit und Connectiontreue hochgedient hatte. Heike wußte, daß Mannhardt solche Männer (und Frauen) als den großen Fluch der SPD verspottete. Irgendwie aber war Fokken doch auch wieder sympathisch und erinnerte sie an ihren Vater, der ein Leben lang bei der AOK am Freiwilligenschalter gesessen hatte.
«Das ist nett von Ihnen, Herr Fokken, daß Sie die Zeit für mich erübrigt haben...»
Fokken schob ihr die Büchse mit den ALDI-Keksen über den Tisch. «Bitte, nehmen Sie. Ja... Das Schicksal von Frau Becker-Bornschein ist auch für mich beunruhigend... Nun ist es unser aller Aufgabe, sie nicht allein zu lassen.»
Heike notierte im Kopf, daß er ohne Redenschreiber ziemlich hilflos war. «Es geht das Gerücht, daß die ‹NordConsulting› nicht eben Riesengewinne abwirft...»
«Nein. Daher war und ist es für uns auch von hoher Relevanz, die Federführung bei der Bebauung des Tempelhofer Feldes übertragen zu bekommen.» Während er sprach, vermied es Fokken, seiner Gesprächspartnerin ins Gesicht zu blicken.
Heike wußte, daß solche angewandte Alltagspsychologie eigentlich nie etwas brachte, konnte sich aber des Eindrucks nicht erwehren, daß dieser Mann irgendwie etwas zu verbergen hatte. Ob da auch Korruption im Spiele war? Hatte er die Becker-Bornschein nach Berlin geschickt, um Beamte bei der
Weitere Kostenlose Bücher