Ein Mann fürs Grobe
Stadtplanung und beim Bausenator zu schmieren? Oder hatte sie ihn deswegen erpressen wollen? Sie hielt es für besser, schnell zur Sache zu kommen. «Es gibt ja da schon eine ganze Menge Spekulationen. Von Selbstmord ist die Rede, weil sie ihren Mann verloren hat, vom Untertauchen... aber auch von einem Mord, wobei dann, wenn die Ermittlungen ernsthaft beginnen, womöglich auch Sie zu den Verdächtigen gehören würden...»
Friedhelm Fokken nahm sich nun selber einen Keks. «Warum denn das?»
«Das ist doch automatisch so...» Heike fiel nichts weiter ein. Ihre Vorbereitung in diesem Punkte war nicht gerade optimal. «Man unterstellt da schnell gemeinsame Leichen im Keller, ein irgendwie gescheitertes Liebesverhältnis, Kämpfe um Ressourcen und Spitzenpositionen, daß sie Ihnen den Rang streitig machen wollte... Weiße Westen kriegen da schnell ihre dunklen Flecken ab.»
«Ich kann nur hoffen, daß sie bald gefunden wird...»
Heike schlug ihren Notizblock auf. «Für jeden zweckdienlichen Hinweis, wie das bei der Kripo heißt, wäre ich Ihnen sehr dankbar, Herr Fokken.»
«Gerne, ja. Aber... Also: Wohnen wollte sie im Hotel ‹Spreeathen›.»
«Hat sie auch. Abends war sie im ‹Brecht Ensemble› und wollte dann zu ihrer Cousine Bianca Broch nach Wernsdorf fahren... ist aber dort nie angekommen.»
Fokken stand auf, trat ans Fenster und sah auf den grünen Saum des Walls hinunter. «Ich glaube, es ist Zeit für ein kleines Geständnis, das ich Ihnen machen muß...»
Heike erlitt einen kleinen Anfall von Atemnot, und auf ihrem Körper hatte sich im Nu ein heißer Film aus Schweiß gebildet. «Wie...?»
Fokken setzte sich wieder und drückte, während er sprach, wahllos auf die Nummernwürfel seines Telefons. «Nun ja... Stichwort ‹Lean management›, auch wir haben abzuspecken. Und da hätte ich mich schon gerne von Frau Becker-Bornschein getrennt.»
«Und das haben Sie ihr gesagt, bevor sie nach Berlin geflogen ist?»
«Ja... Das sind so die kleinen Grausamkeiten, um die man leider nicht herumkommen kann.»
Heike sah ihn ungläubig an. «Ausgerechnet Frau Becker-Bornschein wollten Sie in die Wüste schicken, wo deren Mann Sie fertigmachen kann, indem er Ihnen die Kredite kürzt...?»
«Die brauchen wir nicht mehr, ein japanisches Konsortium will uns kaufen, Sony am Potsdamer Platz hat denen Mut gemacht. Aber sie wollen uns nur, wenn wir unser Personal um knapp die Hälfte reduzieren.»
Heike nickte, das alles klang nur allzu logisch. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit stand damit fest, daß Sabine Becker-Bornschein irgendwo zwischen Frohnau und Wannsee Selbstmord begangen hatte. Daß man ihren Leichnam noch nicht gefunden hatte, durfte nichts als Zufall sein.
Ihr blieb nur noch, Friedhelm Fokken Dank zu sagen und ihm das Versprechen zu geben, bei der Berichterstattung an sein Image zu denken.
«Was sollte ich denn machen!?» Es klang ein wenig wehleidig.
Sie verabschiedete sich und ging, als der Fahrstuhl nicht gleich kommen wollte, zu Fuß zur Straße hinunter.
In der Halle unten wurde sie von einem Mann Ende Dreißig abgefangen, der mit seinem Zopf und seiner Lederweste wie ein Schriftsteller wirkte, der gerade zu einer Lesung eilen wollte. Ein Manuskript hatte er schon in der Hand.
«Entschuldigen Sie: Sie sind doch die Journalistin, die mit dem Chef das Interview...?»
Heike staunte. Wenn in der «NordConsulting» auch wenig funktionierte, der Flurfunk jedenfalls schien in Ordnung zu sein. «Ja...»
«Ich bin Immo Schwier, gelernter Diplomkaufmann und hier im Hause in der Kalkulation und Kostenrechnung tätig...»
Heike registrierte leicht verärgert, daß sie beim Spiel Beruferaten keine Chancen hatte. Dann kam ihr die Assoziation: also doch Korruption, und sie fragte ihn, ob er ihr bestimmte Informationen zum Kaufe anbieten wollte.
«Ja, genau.»
«Ihre Firma betreffend?»
«Mich und Sabine betreffend.»
«Welche Sabine – die Becker-Bornschein?»
«Ja.»
«Und...?»
«Ganz einfach: Ich bin der Mann, der sie ermordet hat...»
Damit hielt er Heike Hunholz sein Geständnis hin.
6
Mannhardt hätte einen Seelsorger oder Therapeuten gebraucht, denn seit gestern nacht kam er nicht über den Umstand hinweg, daß er sich beim Anblick des toten Taxifahrers Wolfgang Wuttkowski nicht nur geekelt und erschrocken, sondern irgendwie auch gefreut hatte. Warum? War er ein nekrophiler Charakter im Sinne Erich Fromms, also einer, der von allem Toten und Verwesenden
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