Ein Mann fürs Grobe
letzte Fahrgast und so...»
«Den Zahn laß dir ma ziehen», sagte Yaiza Teetzmann.
«Wenn det eena von seinen Kollegen mitgekriegt hätte, würde er schon damit bei uns uff da Matte jestanden ham.»
«Ich wünsche euch jedenfalls alles Gute», sagte Volker Vogeley.
Die Chartermaschine aus der Türkei hatte sich ein wenig verspätet, und sie schlenderten durch die neuen Teile des alten DDR-Flughafens.
«Swerdlowsk ist es ja nicht mehr», fand Mannhardt, «aber von Frankfurt unterscheidet sich Schönefeld immer noch wie ein Paddelboot von einem Ozeanriesen.»
«Ick fahre lieba mit’m Paddelboot», meinte Yaiza.
Es war reichlich Zeit, noch einmal all das zusammenzutragen, was sie inzwischen über das Opfer herausgefunden hatten. Wolfgang Wuttkowski, 39, galt als Einzelgänger. Seine Frau war vor Jahren an Krebs gestorben, und es sollte keine gute Ehe gewesen sein: ständig Streit und mitunter auch Schläge. Claudia war eigentlich seine Stieftochter, ein nichteheliches Kind seiner Frau. Bei seinen Nachbarn galt Wuttkowski als mürrisch und unleidlicher Einzelgänger, und einige hatten sogar zu Protokoll gegeben, daß unter seinen wenigen Freunden welche seien, die schon mal gesessen hätten.
«Vielleicht hängt er irgendwie in bestimmten Netzwerken drin...» Mannhardt hatte laut gedacht.
«Vorstrafen hatta keene, hab ick schon abjescheckt.»
«Nein, aber...» Mannhardt war zu müde, den Satz noch zu Ende zu bringen. Silvester hatte ihn, nun doch mit leichtem Brechdurchfall, die ganze Nacht über in Atem gehalten. Er erklärte Yaiza sein permanentes Gähnen.
«Wo issan jetze?»
«Bei seiner Oma beziehungsweise meiner Mutter.»
Yaiza Teetzmann wechselte abrupt das Thema. «Weißte, was ich heute morgen mit meinen Knien jemacht hab?»
Mannhardt dachte an ihren neuen Lover und grinste. «Über seinem Hintern zusammengepreßt...?»
«Sau du, nee: mit Urin eingerieben, weil se wieda weh jetan ham.»
Mannhardt schüttelte sich wie ein aus dem Wasser gestiegener Hund. «Brrrr...» Er liebte es, vor Heike zu knien und sich von ihren Knöcheln an nach oben zu küssen. «Wenn Fabio nun mal...?»
«Der steht selba druff.» Sie erzählte ihm, daß Fabio sogar seine heftigen Zahnschmerzen mit Eigenurin-Gurgeln in den Griff bekommen habe. «Jeden Tag ’ne halbe Stunde. Und ick hab meine Griebe uff da Lippe ooch schon mit Urin betupft und den kleenen Eiterpickel hier...»
«Entschuldige mich mal bitte ’n Moment...» Mannhardt lief zur Toilette, um sich die Lippen abzuwaschen. Er hatte Yaiza vor nicht allzu langer Zeit mit Bruderkuß begrüßt.
Sie lachte hinter ihm her. «Warte doch, bis de wieda zu H ause bist: Hier jibtet doch keene Trinkgläsa uff da Toilette!»
Als er wiederkam, fragte er sie, woher sie «diesen Unsinn» denn hätten.
«Na, aus dieser Talk-Show mit der Bianca Broch.»
Zu weiterem Meinungsaustausch blieb keine Zeit, denn die Maschine aus Antalya war bereits gelandet, und eine erotisch hauchende weibliche Lautsprecherstimme bat Frau Claudia Wuttkowski zum «Condor»-Schalter, in ihrem Aufträge natürlich.
Die junge Frau, zwanzig mochte sie sein, war sehr überrascht, daß man sie sprechen wollte. Mannhardt ging davon aus, daß sie die Nachricht vom Tode ihres Stiefvaters schon erhalten hatte.
«Mannhardt mein Name, und dies ist meine Kollegin Yaiza Teetzmann... Wir dürfen Ihnen zunächst unser herzliches Beileid aussprechen...»
Claudia Wuttkowski zuckte zusammen. «Sind Sie von der l'olizei...?»
«Ja.»
Ihre blauen Augen weiteten sich. «Ist was mit Daniel...!?»
«Wer ist Daniel?»
«Mein Freund, mein...» Ihre Blicke streiften durch die Ankunftshalle. «Warum ist er denn nicht hier...! ?»
Mannhardt fühlte, daß gleich das passieren würde, was in amerikanischen Romanen immer mit she paniced umschrieben war. «Keine Ahnung, warum er nicht hier ist... Wir sind hier, weil Ihr Vater, Ihr Stiefvater...» Er schloß die Augen und machte mit den Händen eine Geste absoluter Hilflosigkeit.
«Ist er ermordet worden!?» schrie sie.
«Ja...»
Claudia Wuttkowski brach zusammen.
Bei der Taxi-Genossenschaft, der Wolfgang Wuttkowski angehört hatte, war sein Lieblingshalteplatz bekannt: U-Bahnhof Alt-Tegel, direkt vor C & A. Aha! Für Mannhardt war das nur allzu logisch: Hier war der Täter zugestiegen, um sich nach Lübars fahren zu lassen. Bei einer angenommenen Tatzeit von 23 Uhr 30 und kaum mehr als zehn Minuten Fahrzeit mußte er laut Fahrplan, wenn überhaupt, mit der
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