Ein Mann fürs Grobe
leidenschaftlich angezogen wurde? Hatte dieser Wuttkowski irgendeine versteckte Ähnlichkeit mit einem Menschen, von dem er im Laufe seines Lebens einmal gequält und gedemütigt worden war, einem Lehrer oder Vorgesetzten etwa? Hatte er generell etwas gegen Taxifahrer, weil sie ihm schon immer als dumpfdeutsch aufgefallen waren, ausländerfeindlich, faschistoid? War er selber ein verhinderter Mörder, der sich mit denen identifizierte, die das vollbracht hatten, was ihm nicht möglich war, genoß er die Lust des Tötens mit ihnen? Oder war es nur die gleichsam naive Freude des Aufklärungshandwerks, vom Schicksal einen neuen Auftrag erhalten zu haben und nicht arbeitslos zu werden, sich noch einmal beweisen zu können? Er wußte keine Antwort, und es verwirrte ihn zutiefst, weil er sich mit solcher klammheimlicher Freude im Herzen ja kaum noch als gut und edel fühlen konnte.
Dies alles ging ihm durch den Kopf, als er sich mit Volker Vogeley, dem wackeren Kameraden aus den alten Zeiten in Oranienburg, und anderen Kolleginnen und Kollegen durch die Eichwerder Wiesen arbeitete, einer Auenlandschaft zwischen der Gemeinde Glienicke / Nordbahn im Lande Brandenburg, das heißt im Oberhavelkreis (OHV), und dem alten Dorf Lübars, das zu Berlin gehörte. Am Rande der Glienicker Straßen hatte früher die Mauer gestanden. Das Gebiet bis hin zum Tegeler Fließ, eigentlich Teil der DDR, hatte man als eine Art Niemandsland belassen, aber nie hätte es ein Westberliner gewagt, über das vielleicht fünf, sechs Meter breite Flüßchen zu setzen.
«Hier muß er lang sein», sagte Volker Vogeley. «In Glienicke hat einer gesehen, wie ein junger Mann Richtung Karl-Liebknecht-Straße gelaufen ist.»
«Tatzeit ist etwa 23 Uhr 30 gewesen...» Mannhardt dachte laut. «Habt ihr denn mal nachgesehen, ob zu dieser Zeit in Glienicke oder in Schildow noch ’n Bus gefahren ist – der 107er?»
«Ja...» Yaiza Teetzmann wußte es und las die Zeiten von ihrem Zettel ab. «Laut BVG-Auskunft sind folgende Busse jefahren: ab Glienicke / Kindelwaldpromenade 23.51 und 0.11 Richtung S-Bahnhof Hermsdorf und 0.29 Richtung Pankow.»
«Dann könnte er den 23.51 gekriegt haben.» Mannhardt schätzte, daß es vom Tatort bis zur Bushaltestelle in Glienicke ein bis anderthalb Kilometer waren. «Im zügigen Fußgängertempo wäre das man gerade eine Viertelstunde. Also unbedingt den Busfahrer interviewen.»
«Mach ick nachher.» Yaiza Teetzmann bekundete mit Nachdruck ihren Eifer.
Volker Vogeley aber hatte leichte Bedenken. «Ich an. seiner Stelle hätte mich nachts nicht an die Haltestelle gestellt, da fällt man doch auf.»
«Nun, er mußte damit rechnen, daß wir das Gelände nach Entdeckung der Tat abriegeln und alle Fußgänger und Radfahrer genau unter die Lupe nehmen würden. Wer im Auto sitzt, ist doch bei solchen spontanen Überfällen auf Taxifahrer uninteressant für uns, denn wer bringt schon einen Taxifahrer gerade an der Stelle um, wo er seine Luxuslimousine abgestellt hat. Ähnliches gilt wohl auch für Leute, die in Bussen sitzen.»
«Einspruch, Euer Ehren», rief Volker Vogeley. «Wenn er so denkt, wie du denkst, daß er denkt, dann wird er es garantiert als Anhalter versucht haben.»
«Einspruch abgelehnt, denn als Anhalter fällt man dem, der einen beim Anhalten mitnimmt, wesentlich stärker auf als einem Busfahrer im Linienverkehr, auch nachts.»
«Ich gebe mich geschlagen und nehme an, daß der Täter das Bundesland Brandenburg und damit unseren Zuständigkeitsbereich an der Veltheimstraße wieder verlassen hat, so daß ich – da wir keinerlei Spuren von ihm gefunden haben – um die Erlaubnis bitte, wieder nach Oranienburg heimkehren zu dürfen.»
«Tu das, aber lade uns wenigstens wieder mal zur Party ein, bei dir im Garten... Mit Gitarre und den neuesten Liedern.»
Volker Vogeley nickte, und um Mannhardts Spott die Wirkung zu nehmen, machte er nun selber das, was der Berliner Freund gerade hatte tun wollen: Er tat so, als würde er eine Gitarre im Arm haben, und sang dazu: «Ich kann es kaum erwarten, mit dir zu sein in meinem Garten, / drum komm zu Volker Vogeley und sei dabei, dabei, dabei... bei dieser großen Vögelei.»
«Ick fühle ma sexuell belästigt», sagte Yaiza Teetzmann.
Mannhardt klatschte in die Hände. «Komm wir müssen: Gegen 14 Uhr kommt Wuttkowskis Tochter in Schönefeld an, und vorher wollen wir noch sehen, daß wir ’n paar Taxifahrer ausfindig machen, die etwas über ihn wissen können. Der
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