Ein Mann fürs Grobe
nicht die Todesstrafe für Taximörder haben, wird das immer wieder passieren.»
«Hätt ich mich schon gemeldet, wenn ich was gesehen hätte.»
Mannhardt stand ein wenig hilflos da. Der junge Mann, mit dem er zuletzt gesprochen hatte, war offensichtlich einer von den vielen Akademikern, die sich als Taxifahrer über die Runden brachten. Immerhin hatte er ein Buch von Hans Fallada neben sich liegen. «Sagen Sie mal bitte: Ich brauche ein wenig Nachhilfe über das Taxifahrergewerbe... Um mich besser in die Fahrer hineinversetzen zu können... Kennen Sie da jemanden, der...?» Irgendwie schaffte er es nicht, seine Sätze ordentlich zu Ende zu bringen. Alzheimer im Anfangsstadium? Das war die Frage und eine neue Angst dazu.
«Da fahren Sie mal zu Grete Furmaniak nach Friedrichsfelde raus, die baut da gerade ein kleines Museum auf.»
Mannhardt schrieb sich die Adresse auf und machte dann weiter mit seinen Interviews. Erst der achte Kollege, ein ehemaliger Fernfahrer von sechzig Jahren, hatte Wuttkowski persönlich gekannt.
«Toten soll man ja nichts Schlechtes nachsagen...»
Mannhardt wurde hellhörig und schaltete schnell. «Keine Angst: Wir wissen, daß er Kontakte zu Exknackis hatte.»
Der Mann stieg aus und lehnte sich mit beiden Armen breit auf das Dach seines Wagens, auf dessen anderer Seite Mannhardt stand. «Und wegen übler Nachrede wird er mich ja nicht mehr verklagen können, also... Ich möchte mal nicht ausschließen, daß er auch was mit Autoschiebern zu tun hatte.»
«Kfz-Sachwertdiebstahl, ah, ja...» Vielleicht doch kein Fixer, der ihn erschossen hatte, sondern eine Sache im Rahmen der OK? Berlin war ja auf dem besten Wege, wenigstens in dieser Beziehung Metropole zu werden. Der Fall Wuttkowski schien langsam doch etwas exotischer zu werden, und Mannhardt freute sich. So richtig in Entzücken geriet er allerdings erst beim Kollegen Nummer elf.
« Hör’n Se uff mit Wutti! Manchmal isset sicher ’n Vorteil für die janze Menschheit, wenn der eene oda andere vorzeitig aus’m Verkehr gezogen wird.»
«Wieso’n das...?» Mannhardt sah den kleinen Hysteriker, der das gesagt hatte, neugierig an. Der Mann war wie ein fetter Brummer, der im Zimmer hin und her sauste und den Weg nach draußen nicht mehr fand.
«Wieso’n das, wieso’n das, mein Herr, was für ’ne Frage!? Weil ich seine verstorbene Frau gekannt habe, sehr gut sogar, die Marina, und wissen Se, wat die mir gesteckt hat?»
«Nein, woher...»
«Daß der Wuttkowski sich an seiner Stieftochter vergriffen hat, immer wenn er besoffen war...»
Mannhardt zuckte zusammen. «Vergriffen haben» konnte allerdings auch heißen, daß er sie nur verprügelt hatte. Darum fragte er noch einmal nach. «Sie meinen, daß er das Kind sexuell mißbraucht hat?»
«Jenau ditte.»
In diesem Moment war sich Mannhardt sicher, den Mörder Wuttkowskis zu kennen: Daniel, Claudias Freund. Er hatte sie gerächt und ihren Peiniger ermordet. Sie schien das gewußt, ganz sicher aber geahnt zu haben, anders ließ sich ihre Reaktion auf dem Flugplatz nicht erklären.
Sosehr Mannhardt seinen Beruf mitunter auch haßte und gegen das immer gleiche Muster wetterte – die Leiche finden, den Mörder suchen, der Gerechtigkeit zum Siege verhelfen –, einen Vorteil hatte er: Man lernte immer wieder neue Menschen und neue Lebenswelten kennen. Diesmal nun das Taxifahrergewerbe. So setzte er sich auch in die Bahn und fuhr mit der S 10, halb dienstlich, halb privat, nach Spindlersfeld hinaus, wo die Witwe Grete Furmaniak dabei war, in einer alten Wäscherei das Berliner Taximuseum einzurichten. Wilhelminischer Backstein bröckelte da, aus den Dachrinnen wuchsen die Birken, und nahebei floß die trübe Oberspree.
Grete Furmaniak war gerade auf Rente gegangen, hatte aber lange Jahre selber hinterm Lenkrad gesessen, erst beim VEB Taxi und nach der Wende dann als Selbständige. Robust war sie und ein Original, eine Mischung von verrückter Chansonette und Kugelstoßerin. Wer sich in diesem Männerberuf behaupten wollte, mußte wohl so sein. Sie führte Mannhardt durch die Halle, in der sie ihre angehäuften Schätze alsbald den Leuten präsentieren wollte.
«Mein Vater hatte ’n Taxibetrieb, meine Mutter ist gefahren, und wahrscheinlich bin ich auch auf’m Rücksitz einer Taxe gezeugt worden – sonst wär ich nich so verrückt nach allem, was mit Taxen zusammenhängt.»
Mannhardt lachte. «Fehlt Ihnen bloß noch, daß der Fürst von Thurn und Taxis sie geheiratet
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