Ein Mann fürs Grobe
schützen. Auf den ersten Prospekten las sich das so: «Beobachtungen und Ermittlungen zum Zivil- und Strafrecht – Industrie- und Wirtschaftsrecherchen – Betriebs-Diebstahlanalysen – Spezial-Video-Observation – Bewaffneter Personenschutz – Leibwächtergestellung – Reisebegleitung –Transportsicherung». Catzoa hatte aber bald gemerkt, daß dieser Art von unternehmerischer Betätigung jener Schmuddelgeruch anhaftete, dem er um alles auf der Welt entfliehen wollte. Beim heftigen Nachdenken darüber, wie er das Niveau seiner Firma anheben konnte, war er auf die Heerscharen der diplomierten Betriebswirte, Soziologen und Psychologen gestoßen, die jedes Jahr die Universitäten verließen, ohne einen Job zu finden, und hatte gleichzeitig bei der Lektüre der Fachzeitschriften bemerkt, welch immens großer Beratungsbedarf in Verwaltung und Privatwirtschaft bestand. Alles schrie nach neuen Rezepten und ihrer Umsetzung. Was lag da näher, als sich gute junge Leute einzukaufen und den verunsicherten Firmen Rettung zu verheißen. Mit Gründung der «ProOrg» schaffte es Thomas Catzoa, immerhin auch Diplomverwaltungswirt, auf dem hart umkämpften Markt der Beraterfirmen Fuß zu fassen. Auf seinen beiden Spezialgebieten Outplacement und Generationswechsel im Familienbetrieb galt Catzoa bei Insidern als die Nummer eins in Westeuropa, und sogar US-Firmen zeigten schon Interesse an seinen Erfolgen. Er genoß es sehr, denn er kam aus ärmlichen Verhältnissen, sein Vater war Müllwerker und seine Mutter Reinemachefrau, vermied aber alles, um von den Medien ausgeschlachtet zu werden. Nach Scheidung, Quittierung des Staatsdienstes und Kappen aller Wurzeln im Norden war er mit der «ProOrg» nach Berlin gezogen und hatte sein Büro in der Kronenstraße eröffnete, gleich am U-Bahnhof Stadtmitte und keine fünfhundert Meter vom Gendarmenmarkt entfernt. Fast hundert Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter standen jetzt in seinen Diensten, und er dachte immer noch an Expansion. Bei aller Belastung nutzte er aber jede freie Minute, um seine Dissertation fertigzustellen, denn seit dem dritten Schuljahr träumte er von einem großen Namensschild draußen am Haus, auf dem zu lesen stand: Dr. Thomas Catzoa. Im Herbst dieses Jahres war es geschafft. Sein Thema war eine Mischung aus Psychologie und Organisationswissenschaft und lautete «Der Einmaligkeitswahn als Grundproblem des Nachfolgedilemmas bei Familienbetrieben». Beispiele dafür konnte er viele anführen; eines davon erwartete er um 12 Uhr 30 zum Mittagessen. Vorher aber war noch mit Zuchenberg von der GFL zu reden, der «German Fuzzy Logic». Der GFL-Boß wurde gerade von seiner Sekretärin gemeldet und in sein Zimmer geleitet.
Ihr Warm-up-Geplauder ergab sich aus Catzoas Grinsen, als das Wort Fuzzy mehrfach gefallen war, denn mit dieser Bezeichnung versah man ja im allgemeinen jüngere Menschen, die ein wenig flippig und chaotisch waren. Da setzte Zuchenberg an.
«Das ist schon ein komisches Wort, fuzzy, aber dahinter steckt eine Idee, die die Welt fast so verändert hat wie die Chaostheorie selber. Fuzzy heißt ja im Englischen nicht nur faserig und fusselig, sondern auch undeutlich und verschwommen, unscharf. Und darum geht es bei uns in der GFL auch im wesentlichen. Fuzzy Logic , das ist die neue Wunderwaffe für die Industrie. Mit ihr verringern wir den Ausschuß, optimieren wir die Durchlaufzeiten, überwachen wir die Produktion.»
«Ich weiß...» Catzoa reagierte ein wenig gekränkt. «Trotzdem muß ich immer wieder schmunzeln, wenn ich was von Fuzzy höre, denn so heißt ein Freund von mir, der immer alles durcheinanderbringt, Zahlen verdreht, einem am 25. zum Geburtstag gratuliert, wenn man ihn schon am 15. gehabt hat – und so weiter. Der Fuzzy – mit u ausgesprochen und nicht mit a wie im Englischen.»
Zuchenberg, klein und bärtig, eher ein irrer Klaviervirtuose oder der Waldschrat in einem Shakespeare-Stück als ein Topmanager, genial eben, echauffierte sich, war ein gutes Stück überagiert bis schon hysterisch. «Das ist es ja: Statt genauer Zahlen und präziser Ja-Nein-Befehle arbeiten unsere Fuzzy-Steuerungsprogramme mit verbalen Werten wie ‹wenig› oder ‹viel›, ‹heiß› oder ‹kalt› – und das ist der große Erfolg. Mit der Fuzzy-Software bringen wir so konträre Ziele wie Kapazitätsoptimierung und Termintreue total in Einklang miteinander. Und unschlagbar sind wir, wenn es um die komplizierte Koordinierung von biologischen, chemischen und
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