Ein Mann fürs Grobe
nicht, nein... Vielleicht, daß er ein bißchen bedrückt gewesen ist.»
«Ah, ja...» Ob das nun schon für die Selbstmordthese sprach? Wohl kaum. «Hat er vielleicht angedeutet, daß ihn seine Firma entlassen könnte?»
«Ich glaube ja.»
Heike Hunholz bedankte sich und nahm das Handy wieder vom Ohr. Wahrscheinlich war es am sinnvollsten, wenn sie jetzt mit den Wohnungsbaugesellschaften Schluß machte und erst einmal bei den Outplacement-Beratern nachfragte, ob Dr. Witt oder dessen Chef sie irgendwann kontaktet hatte.
Einmal nichts, zweimal nichts, dreimal nichts. Beim viertenmal aber blieb ihr regelrecht die Luft weg, als sie hörte «Outplacement GmbH, Catzoa...» Sie riß sich ihr mobiles Telefon vom Ohr und unterbrach die Verbindung.
Thomas Catzoa. Das war nicht zu fassen. Sie kannte ihn aus ihrer Zeit in Bramme und sprach von ihm nie anders als «Catzoa, dieses Schwein». Catzoa, Kriminalkommissar und für sie ein Mann von seltener Intelligenz, aber furchtbar intrigant und aasig, hatte vor Gericht gestanden, und sie hatte im Aufträge vieler deutscher Blätter über seinen Prozeß zu berichten gehabt. Da waren als Protagonisten der vielfache Millionär Hans-Henning Ascheregen, dem die Glückskauf-Märkte Deutschland gehörten, und Immo Noetzel, der Mann, der Ascheregens wunderschöne Frau Olivia, eine Chorus-line-Tänzerin aus Berlin, ermordet hatte. Catzoa nun hatte Immo Noetzel erschossen. Während Catzoa behauptete, dies sei im Dienste und in Notwehr geschehen, lautete die Anklage auf Mord: er habe Noetzel im Aufträge Ascheregens gleichsam hingerichtet. Ascheregen sei von pathologischer Rachsucht erfüllt gewesen, und er, Catzoa, stadtbekannt für seine Skrupellosigkeit, habe den Killerlohn zum Aufbau einer eigenen Wachschutzfirma verwenden wollen. Nun, Thomas Catzoa war zwar freigesprochen worden, aber das Land Niedersachsen hatte ihm nahegelegt, doch bitte etwas anderes sein zu wollen als Kriminalbeamter. Dies allerdings war der Personalverwaltung ziemlich schwergefallen, denn einmal hatte Catzoa viele Gönner und Kumpane in Wirtschaft und Verwaltung, und zum anderen war er wirklich ein, so das «Brammer Tageblatt», «preisgekrönter Bulle», ein weit über dem Durchschnitt stehender Beamter, auf dessen große Karriere fast alle gewettet hatten. Als Polizeipräsidenten hatten sie ihn gesehen, als Chef des BKA, als Innenminister. Aus und vorbei, er hatte um einiges zu hoch gepokert. Sie wußte, daß er nach seinem Ausscheiden aus dem öffentlichen Dienst und dem Ende seiner Ehe Bramme verlassen hatte, um in den neuen Bundesländern Firmen aufzumachen, die das Produkt Sicherheit verkauften. Offensichtlich war er nun auch auf den ertragreichen Markt der Managementberatung vorgedrungen. Der Gedanke war albern bis absurd, aber wenn Catzoa nun den Begriff Outplacement so verstehen sollte, teure und von ihren Firmen nicht mehr benötigte Manager ganz einfach per Kopfschuß zu entsorgen... Vom Charakter her war er, daran gab es für sie keinerlei Zweifel, dazu sicher in der Lage, und was den perfekten Mord betraf, so hatte er ganz sicher die Gabe wie das Fachwissen dazu, ihn mehrfach zu wagen. Catzoa war alles zuzutrauen.
Was sie jetzt tat, geschah spontan und wie im Fieber. Sie wählte noch einmal Catzoas Nummer und hatte das Glück, seine Sekretärin am Apparat zu haben.
«Hier ist das Hotel ‹Zur Sonne› in Bad Urach, Schäufele», schwäbelte sie. «Herr Catzoa ist in der Zeit vom 16. bis 19. April bei uns gewesen, auf Firmenkosten, aber die Rechnung ist von Ihnen noch immer nicht vollständig bezahlt...»
«Oh!» rief die Sekretärin. «Einen Augenblick bitte, Frau Schäufele...»
«Ja, danke...» Heike Hunholz schmunzelte. Wenn die Anna Schäufele aus Kaltental das gehört hätte. Sie war die Heldin eines sehr schönen Volksliedes, das sie neulich in Bad Urach gehört hatte, von Lothar Holler gesungen. Ausgerechnet jetzt begann Silvester zu krakeelen. «Psssst!»
«Sind Sie noch da?» fragte Catzoas Sekretärin.
«Ja, ich höre...»
«Das muß ein Irrtum sein, denn vom 11. bis 25. April ist Herr Catzoa auf Lanzarote gewesen, und zwar im ‹E l Dorado›.»
«Oh, Entschuldigung!» Mit ein paar Floskeln legte sie auf. «Scheiße!» Das war ihr in einer derartigen Lautstärke entfahren, daß die vorbeischlendernden Damen ganz entsetzt auf ihren Kinderwagen guckten. Das arme Kind, bei dieser Mutter. Und dann natürlich sofort die innere Stimme: Siehste! Hüte dich vor Vorverurteilungen! Über
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