Ein Mann fürs Grobe
Ringes.
Der Empfangschef wurde fündig. «Dr. Witt ist am 19.4. abgereist. Die Rechnung hat seine Firma bezahlt.»
«Und Sie wissen nicht wohin?»
«Das darf ich Ihnen leider nicht mitteilen.»
Heike Hunholz schob ihm einen Zwanzigmarkschein hinüber. «Für Ihre Mühe...»
Der Mann ließ den Schein unbeachtet liegen. «Danke. Aber ich weiß es wirklich nicht...»
«Okay.» Heike Hunholz steckte den Schein wieder weg und drehte sich um. Klar, wie sollte der Mann auch wissen, was seine Gäste anschließend machten. Andererseits wurde sie das Gefühl nicht los, daß er diesen Dr. Witt sehr wohl im Gedächtnis abgespeichert hatte. Vielleicht konnte Mannhardt etwas über ihn erfahren. Doch dazu brauchte sie seinen Namen. Namensschildchen gab es keine, sie mußte also fragen. «...falls ich später noch einmal anrufen sollte...»
«Pantlitz, Thomas Pantlitz...» Dies mit einem unmerklichen Zögern.
Sie hatte es dennoch registriert. Komisch. «Und Sie können sich nicht zufällig erinnern, was Dr. Witt am 18. April abends noch unternehmen wollte...?»
«Nein. Ich hatte zwar Dienst an diesem Tage, aber wir haben ja Hunderte von Gästen, und da...»
«Natürlich.» Heike Hunholz fragte sich ganz automatisch, aber da mochte auch ein wenig Eitelkeit im Spiele sein, weshalb der Mann denn ihren Artikel über die in Berlin verschwundenen Manager nicht gelesen hatte und sich an Dr. Witt nicht mehr erinnern konnte. Gott, was seither nicht alles geschrieben worden war. Aber trotzdem. «Nun...» Sie bedankte sich abermals und wandte sich zum Ausgang. Kurz vor der Drehtür stand eine Stecktafel, auf der alle Veranstaltungen aufgelistet waren, die an diesem Tage in den diversen Tagungsräumen und Sälen des «Spreeathen» stattfinden sollten, und ganz automatisch fiel ihr Blick auf eine Veranstaltung, in der das Wort Manager vorkam:
Kurfürstensaal
14.00 Uhr – KTG
Aufbau eines lean-gerechten Controlling- und
Managementinformationssystems
Sie ging zum angegebenen Saal und sprach einen der Teilnehmer an, der, seine Pfeife rauchend, an der Eingangstür stand.
«Entschuldigen Sie bitte: Ich suche einen Herrn Dr. Witt von der Dachsanierung Ziegelmann GmbH.»
Der Pfeifenraucher lächelte. «Der ist im Schwarzen Loch verschwunden.»
Heike Hunholz staunte. «Sie kennen das...?»
«Die Zeitung ist doch voll davon: die Becker-Bornschein, der Wolfram Witt, der Dr. Schrotzer und noch zwei andere – alle lost in Berlin. Lesen Sie mal...» Er wollte sich bücken, um den entsprechenden Artikel aus seinem Aktenkoffer zu ziehen.
Heike Hunholz fiel ihm in den Arm. «Lassen Sie... Ich hab das selbst geschrieben. Heike Hunholz...»
«Ah, ja. Und da tun Sie so, als würde der arme Mann ausgerechnet hier wieder auf getaucht sein...?»
«Entschuldigung, das war nur so ’ne Einstiegsfloskel. Der Mord an Sabine Becker-Bornschein ist ja nun durch meine Mithilfe aufgeklärt worden, und der Dr. Witt ist der nächste auf meiner Liste. Haben Sie ihn zufällig mal kennengelernt?»
«Nein. Ich bin ja aus der Pharmabranche. Aber da hinten steht ein Freund von mir, der auch aus Hannover kommt und Witt aus dem Golfclub kennen müßte...» Er zeigte in den Kurfürstensaal hinein, wo ein Glatzkopf am Laptop saß und so hingerissen auf den Bildschirm starrte, daß Heike Hunholz annahm, er würde sich einen Pornofilm ansehen. Doch es waren nur Tortendiagramme.
«Achim, Entschuldigung, die Frau Hunholz hier ist auf der Suche nach dem Wolfgang Witt...»
Der Glatzkopf stand auf, stellte sich vor und schüttelte ihr lang und innig die Hand. «Er hatte dasselbe Handicap wie ich.»
Heike Hunholz suchte dezent nach der Behinderung des Mannes, ohne aber auf den ersten Blick etwas erkennen zu können. Aber nachfragen mußte sie wohl, weil das hochwichtig war, um den verschwundenen Manager zu finden. «Welches Handicap war es denn bei Dr. Witt? Eine steife Hüfte, Kinderlähmung früher oder...?»
Die beiden Männer lachten nun los, und sie verstand die Welt nicht mehr. Wie konnte man sich über die Behinderung eines anderen Menschen derart ausschütten vor Lachen.
Der Pfeifenraucher hatte sich als erster wieder unter Kontrolle. «Gemeint ist das Handicap beim Golf.»
Heike Hunholz hatte Mühe, wenigstens ein wenig zu grinsen, war es doch das alte Muster: die Frau als kleines Dummchen.
Der Glatzkopf trank sein Selterswasser und sagte ihr dann, daß er Dr. Witt nur sehr flüchtig kannte, nie im selben Flight mit ihm gegolft hätte, aber die
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