Ein Mann fürs Grobe
Treppen zu erreichen.
«Muß ich auch noch bergsteigerische Aktivitäten entfalten», brummte Mannhardt.
«Soll ich ’n Seil holen für dich?»
«Wenn ’n passender Ast dafür da ist...» Und dann sang er ein Lied des Leipziger Liedermachers Steffen Mohr: «Der Mond ist aufgegangen, ich hab mich aufgehangen.»
Mannhardts Assoziationen schienen Yaiza Teetzmann schon wieder etwas krankhaft zu sein. «Ick nehm die Kolonie Karpfenteich, du die Kolonie Hasensprung.»
«Wenn du mich damit als alten Rammler diskriminieren willst...»
Damit zog er los. Mit dem Phantombild in der Hand kam er sich vor wie ein Mann von den Zeugen Jehovas oder ein x-beliebiger Drücker. Und immer wieder dieselben Dialoge.
«Schönen guten Tag, Mannhardt mein Name...»
«Wir brauchen nichts.»
«Nein, die Mordkommission. Wir suchen den Mörder des Taxifahrers Wolfgang Wuttkowski und hätten in diesem Zusammenhang auch eine Frage an Sie.»
«Darf ich mal Ihre Marke sehen?»
«Selbstverständlich.»
«Gut, ja. Und worum geht es nun?»
«Sagen Sie bitte: Ist Ihnen dieser junge Mann hier zufällig schon einmal begegnet?»
«Nein, tut mir leid.»
Das war das tägliche Brot eines Kriminalbeamten des gehobenen Dienstes, und Mannhardt tröstete sich damit, daß er ja für das Klinkenputzen Geld bekam, wenn auch nicht gerade viel. Und was sagte Heike immer: Du lernst doch dabei eine Menge Leute kennen. Das schon, doch was hatte er davon? Außer dem Wunsch, keine mehr kennenzulernen, sondern oben in der Schorfheide am Großen Döllnsee zu sitzen und stundenlang aufs Wasser zu starren, ohne dabei einen einzigen Gedanken zu haben. Wenn ihn jemand nach einem Aphorismus für sein Poesiealbum gefragt hätte, so wäre seine Antwort gewesen: Leben ist nichts weiter als das Warten auf den Tod. Hans-Jürgen Mannhardt , deutscher Kriminalbeamter. Sollte er wegen seiner Depressionen wieder in die Klinik gehen. Nein, Reflexionen waren keine Depressionen. Und er tat das, was er in einem Psychokurs gelernt hatte: Such dir einen Anker, etwas Positives, etwas Schönes, und denke intensiv daran. Also stellte er sich, während er durch die Lauben lief, eine Modenschau vor, saß unten am Laufsteg, während oben die Models Stretchkleider präsentierten, kurz und sexy. Und er hatte als einziger das Privileg, die Innenseite ihrer seidigen Schenkel hinauffahren zu dürfen.
«Det is doch der Mirko Fischer!» schrie ihm jemand ins Ohr.
Mannhardt fing sich wieder und registrierte mit einiger Verwunderung, daß er soeben an einer Hütte geklingelt hatte, in der ein Alki unbestimmten Alters hauste, einer aus Karl Mays Kuriositätenkabinett, Sam Hawkins etwa, Old Death oder Tante Droll. «Wer ist Mirko Fischer?»
«Na, keena von die Fischer-Chöre!» sagte der Alte und wieherte los. «So een Streuna. Bis Ostern hatta hier nebenan jewohnt, dann issa unbekannt vazogen.»
Mannhardt funktionierte nun wieder. «Eine feste Arbeit hat er nicht gehabt?»
«Nee. Wenna keene Mäuse mehr jehabt hat, issa uff die Wochenmärkte jegangen, helfen an die Stände da. In Tejel meistens.»
Mannhardt bedankte sich und ging zum Wagen zurück, um sich per Funk mit seinen Leuten in Verbindung zu setzen. «Eine ISVB-Abfrage bitte. Es geht um einen Mirko Fischer, Wohnsitz Berlin.»
Wenig später erhielt er die Daten: Mirko Fischer war am 10.7.1972 in Berlin geboren worden. Mutter (Renate Fischer): Serviererin, gestorben 1989 (Suicid), Stiefvater (Werner Niemeier): Verkäufer in einem Autosalon, später selbständiger Taxifahrer. Leiblicher Vater seit 1977 als vermißt gemeldet. Zu Mirko Fischer: Schwierigkeiten in der Schule, Lehre als Kfz-Mechaniker abgebrochen, aber eine suchtähnliche Affinität zur Welt des Motors. Folgerichtig, da keine Mittel zur Finanzierung seines leidenschaftlichen Hobbys vorhanden waren, schon mit 15 Jahren Straftaten nach § 248 StGB (unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs) und mit 17 Jahren mehrere Pkw-Diebstähle (nach § 242, 22 StGB). Dazu mehrfach Führen eines Kfz ohne Fahrerlaubnis (§ 21 1 Nr. 1 StVG). Anfangs Erziehungsmaßregeln (§§ 9 ff- JGG), dann Jugendarrest und Jugendstrafen (Feststellung schädlicher Neigungen). Als Erwachsener dann Delikte wie schwerer Diebstahl (§ 243 StGB) und gefährliche Körperverletzung (§ 223 a StGB). Bisher Haftstrafen von insgesamt drei Jahren. Starker Alkoholkonsum, offenbar keine harten Drogen wie Heroin u. dgl. Mehrere Aufenthalte in Nervenkliniken.
Mannhardt bedankte sich und machte sich auf die Suche nach
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