Ein Mann von Ehre
irgendetwas beunruhigte ihn.
Vielleicht waren das die Erinnerungen an Renshaws Schwester, die er geliebt und verloren hatte. Möglicherweise war er nicht imstande, diese Frau zu vergessen, obwohl er sie, Rosalyn, liebte. Plötzlich verspürte sie einen Stich der Eifersucht, unterdrückte das üble Gefühl jedoch sogleich. So etwas war ihrer unwürdig! Sie konnte nicht auf einen Menschen eifersüchtig sein, der sich aus Schamgefühl das Leben genommen hatte!
Das Hausmädchen hatte ihr gesagt, ihr Gatte würde abends nichts zu Haus sein. Er hatte sie gebeten, sich auszuruhen und sich das Essen ins Zimmer bringen zu lassen. Sie hatte jedoch keinen Appetit und wollte auch nicht mehr im Bett bleiben, da das Schwindelgefühl vorübergegangen war.
Sie überlegte, wohin Damian sich begeben haben mochte. Vielleicht hatte er doch beschlossen, den Comte, weil sie von ihm beleidigt worden war, zum Duell zu fordern. Plötzlich war sie ganz sicher, dass er in dieser Absicht das Haus verlassen hatte.
Jäh wurde sie von innerer Kälte erfasst. Wie unklug von Damian! Bestimmt war es nicht notwendig, dass er sich mit dem Comte duellierte! Sie war zwar aufgeregt gewesen, aber ein Unglück hatte es schließlich nicht gegeben. Wenn sie in aller Ruhe darüber nachdachte, war sie der Meinung, dass der Comte seine Drohung nicht wahr gemacht, sie nicht entführt und Damian auch nicht getötet hätte. Das hatte er in der Hitze des Augenblicks geäußert. Sobald er Zeit zum Nachdenken hatte, würde er es sich gewiss überlegen, ob er seine Drohung in die Tat umsetzen solle. Er liebte sie nicht und hatte sie lediglich seiner Sammlung hinzufügen wollen. Und es war das Risiko nicht wert, deswegen ein Duell auszutragen.
Nicht imstande, Ruhe zu finden, schlug sie die Bettdecke zurück und ging zum Frisiertisch. Sie bürstete sich das Haar, eine Tätigkeit, die sie beruhigend fand und die ihr die sie seit dem Ohnmachtsanfall plagenden Kopfschmerzen nahm.
Sie fühlte sich rastlos. Es war ihr unmöglich, im Raum zu bleiben, ohne zu wissen, wo der Gatte sich aufhielt und was er tat. Sie gedachte, ins Parterre zu gehen und dort auf ihn zu warten. Bestimmt blieb er nicht den ganzen Abend hindurch aus.
Falls er jedoch fortgegangen war, um sich zu duellieren, konnte er getötet werden.
Der Gedanke erfüllte sie mit Entsetzen. Sie hätte es nicht ertragen können, wenn Damian starb. Oh, warum mussten Männer so dumm sein? Es war ein Unsinn, sich wegen einer solchen Bagatelle duellieren zu wollen!
Im Salon ließ Rosalyn die Fingerspitzen über die Elfenbeinklaviatur des hübschen Spinetts gleiten. Sie seufzte und wünschte sich, Damian möge zurückkommen und sie in die Arme nehmen. Sie vermisste ihn, vor allem deshalb, weil sie sich fast wieder mit ihm gestritten hatte und die Erinnerung daran sie bedrückte. Warum benahm er sich in der letzten Zeit so seltsam? War er nur eifersüchtig?
Sie vernahm hinter sich ein Geräusch und drehte sich um. Rajib stand in der offenen Tür und schaute Rosalyn auf eine seltsame Weise an.
Plötzlich stiegen ihr die Nackenhaare zu Berge.
„Ja, was gibt es, Rajib?“
„Ich möchte mit Ihnen reden, Memsahib.“ Eindringlich schaute er sie an. „Darf ich offen zu Ihnen sein?“
„Ja, natürlich.“ Sie stand auf und wartete darauf, dass der Diener zu reden begann.
„Ich habe beschlossen, mit Nessa nach Indien zurückzureisen.“
„Oh! Ich begreife nicht ganz. Das sollten Sie Seiner Hoheit und meinem Gatten mitteilen.“
„Der Prinz weiß Bescheid. Er ist unserer Aufsicht entwachsen und benötigt uns nicht mehr.“
Der Diener hatte gekränkt geklungen. „Es tut mir leid, dass Sie sich offenbar überflüssig fühlen“, erwiderte Rosalyn. „Ich weiß, Sie und Nessa haben den Prinzen gern.“
„Er ist der Sohn meines Gebieters“, sagte Rajib. „Ich habe nur getan, was der Maharadscha mir aufgetragen hatte. Jetzt muss ich heim.“
„Aber Sie sind verärgert.“
Der Blick des Dieners traf Rosalyns. Dann neigte Rajib leicht den Kopf. „Sie haben keine Schuld. Nessa wirft Ihnen vor, Sie hätten Ihr Seine Hoheit entfremdet, aber ich tue das nicht. Ich bin gekommen, um Ihnen das mitzuteilen und um Ihnen noch etwas anderes zu sagen.“
„Vielen Dank für Ihr Vertrauen, Rajib“, erwiderte Rosalyn. „Was wollen Sie mir noch mitteilen?“
„Seine Lordschaft will sich mit dem Comte Devere duellieren. Ich dachte, Sie sollten das wissen.“
„Duellieren!“, wiederholte sie und starrte, weil ihre
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