Ein Mann von Ehre
Nachmittag eine Weile ausruhen.“
Damian bedankte sich für die Auskunft und bat den Doktor, in einigen Tagen wieder herzukommen. Dann kehrte er in den Salon zurück und setzte sich an den eleganten Rosenholzschreibtisch, den er in Paris für Rosalyn gekauft hatte. Sie pflegte an diesem Schreibtisch zu sitzen, wenn sie Briefe schrieb, weil sie dabei in den Garten sehen konnte.
Er grübelte darüber nach, wie er sich jetzt verhalten solle. Sie hatte ihn angefleht, den Comte Devere nicht zum Duell zu fordern, aber er konnte nicht zulassen, dass dieser sie ungestraft beleidigte.
Stirnrunzelnd blickte er auf den Schreibtisch und bemerkte einige an seine Gattin adressierte Briefe. Einer war aus England eingetroffen, ein anderer in Paris aufgegeben worden. Die Absender der anderen Briefe waren nicht ersichtlich. Damian betrachtete die Handschriften. Die Schrift auf einem Umschlag kam ihm vertraut vor, und er nahm an, das Schreiben stamme von Maria. Die Schrift auf dem anderen Couvert kannte er jedoch nicht.
Vielleicht hatte dieser Brief mit den Dokumenten zu tun, auf die er eines Tages zufällig in einer Schublade des Schreibtisches gestoßen war. Sie waren nicht unterschrieben, und betroffen hatte er sich gefragt, warum Rosalyn ihm nicht erzählt hatte, dass sie in Paris offenbar vom Bruder aufgesucht worden war.
Er läutete. Briefe aus der Heimat waren Rosalyn immer sehr willkommen. Sie würde sich darüber freuen, sie zu lesen.
Ein Hausmädchen betrat das Zimmer. Er gab ihm die Schreiben und trug ihm auf, sie sogleich zu seiner Frau zu bringen.
„Bitte, richten Sie ihr aus, dass ich fortmusste“, fügte er an. „Vielleicht bin ich nicht rechtzeitig zum Essen zurück. Sagen Sie ihr, sie solle im Bett bleiben und sich ausruhen. Ich werde sie dann morgen früh sehen.“
„Ja, Monsieur le Comte.“
Er wartete, bis das Hausmädchen gegangen war, und verließ dann ebenfalls den Salon. Erst musste er noch etwas holen, und dann würde er dem Comte Devere einen Besuch abstatten.
Er ging in den von ihm als Arbeitszimmer benutzten Raum, nahm aus der Schreibtischschublade eine polierte Mahagonischatulle und klappte den Deckel auf. Darin lagen die beiden Duellpistolen. Der Comte hatte zwar das Recht, die Waffen zu wählen, aber Damian hielt es für besser, vorbereitet zu sein. Er bezweifelte, dass der Comte je im Leben jemanden getötet hatte, und erst recht nicht einen wütenden Tiger aus nächster Nähe. Dafür musste man aus hartem Holz geschnitzt sein, um unter solchen Umständen nicht die Nerven zu verlieren. Soweit er es beurteilen konnte, würde der Comte nicht darauf warten, bis sein Gegner geschossen hatte.
Der Comte mochte zwar imstande sein, eine Zielscheibe zu treffen, aber es gab nicht viele Menschen, die den Mut hatten, einen anderen zu erschießen. Grimmig presste Damian fest die Lippen zusammen. Wenn er es darauf anlegte, würde der Comte an diesem Abend sterben. Diese Sache musste ein für alle Mal geklärt werden, koste es, was es wolle.
Lustlos nahm Rosalyn die Briefe entgegen, warf nur flüchtig einen Blick darauf und legte sie dann auf die Nachtkonsole. Sie hatte die Handschrift der Cousine erkannt, war jedoch nicht in der Stimmung, Marias Brief zu lesen. Mittlerweile hatte sie einen klareren Kopf bekommen, und es ging ihr etwas besser.
Sie hätte sich gern mit dem Gatten unterhalten. Es war höchste Zeit, dass sie sich aussprachen. Irgendetwas belastete ihn seit einiger Zeit. Er hatte zugegeben, nicht wirklich geglaubt zu haben, von ihr betrogen worden zu sein, nicht einmal in Gedanken. Was also mochte der Grund für seine wechselnden Stimmungen sein, die er seit der Abreise aus England erkennen ließ?
War es möglich, dass er doch Mr. Harrington getötet hatte? Rosalyn fragte sich, ob er das getan haben mochte, um sie zu beschützen. Vielleicht war es der Mord an Bernard Harrington, der sein Gewissen belastete.
Sie schüttelte den Kopf. Nein, eine Weile hatte sie Zweifel gehabt, doch nun konnte sie klarer denken und glaubte nicht daran, dass der Gatte Mr. Harrington umgebracht hatte. Von Anfang an hatte sie diese Vorstellung als ausgeschlossen von sich gewiesen und sogar eine Weile gedacht, ihr Bruder könne der Mörder sein. Dann war ihr jedoch etwas anderes in den Sinn gekommen. Der gequälte Ausdruck in Damians Augen hatte ihre Zweifel geweckt. Nun glaubte sie jedoch, es gäbe eine andere Erklärung für seine wechselnden Stimmungen. Er war unschuldig, was den Mord betraf, aber
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