Ein Mann will nach oben
einmal durchhalten, es mit den Schindern versuchen! Es wird mir schon was einfallen! Ich habe das Gefühl, als wäre da noch was zu machen. – Kalli, du mußt sofort nachher Hafer kaufen. Bei jedem Aufenthalt werden die Gäule gefüttert, schärfe das den Kutschern bitte ganz genau ein!«
»Die werden schon füttern! Aber es geht von unserm Geld.«
»Ich weiß, es wird über unsere Ersparnisse hergehen. Aber das hilft nichts. Nimm dir wieder Egons Rad und fahre überall herum. Ich bleibe im Büro. Ich muß ja dort sitzen, ich kann im Moment nichts tun. Jeder Kutscher bekommt die Telefonnummer vom Büro auf einem Zettel in die Tasche gesteckt, und beim kleinsten Zwischenfall werde ich angerufen. Ich bin überall sofort da!«
»Ist recht, Karle! – Hör bloß das Geschimpfe!«
Sie sahen durch die Einfahrt auf den Fuhrhof. Die Kutscher zogen jetzt die Pferde aus dem Stall. Man hörte die schreiende Stimme von Franz Wagenseil, polternde, grobe Antwortender Kutscher. »Das ist eine Hoffnung, Kalli: seine Leute sind alle gegen ihn.«
»Es sind auch ein paar pflaumenweiche darunter«, warnte Kalli. »Bei dir reden sie so und bei ihm anders.«
»Die gibt’s überall. Aber auch den Pflaumenweichen wird’s keinen Spaß machen, mit den Gäulen zu fahren. Da geht’s los!«
Ein Wagen nach dem andern rollte vom Hof. Ach, es war ein jämmerlicher Anblick, diese elenden Gäule zu sehen, auf deren dürrer, knochiger Brust die Kummete rutschten! Manche ließen die Nasen fast bis aufs Pflaster hängen, als lohnte sich kein Blick zum Himmel mehr, da das Erdengrab doch schon so nahe war. Andere hoben nur mit Vorsicht die lahmen, steifen Beine. Es gab Felle, die aussahen, als seien die Motten darin gewesen, es gab große blutig gescheuerte Stellen. Ja, jetzt im Licht der Maisonne sah man erst, wie abgetrieben, wie elend, wie am Ende diese Gäule waren.
Unter dem Eingang standen Franz Wagenseil und sein Rechtsvertreter. Wagenseil sah finster aus, er kaute an seinen Lippen, nicht einen Augenblick konnte er die Hände ruhig halten. In dieser Minute schämte er sich. Plötzlich steckte er die Hände in die Taschen, drehte um und ging eilig, als fliehe er, in das kleine Büro, dessen Tür er krachend hinter sich zuwarf. Sein Rechtsbeistand blieb unter dem Tor stehen. Mit einer milden, nur mäßig interessierten Heiterkeit betrachtete er diese Versammlung sämtlicher Rosinanten Berlins. Er zog ein großes, gelbseidenes Tuch aus der Tasche und fing an, seine Brille zu putzen. Dann, als er sah, daß Karl Siebrecht die Kutscher um sich versammelte, ging er leise näher, machte ein paar Schrittchen, verhielt, und machte wieder ein paar Schrittchen, pirschte sich in Hörweite. Aber Kalli Flau hatte ihn nicht aus dem Auge gelassen. »He, Sie! Sie haben hier nichts zu schnüffeln!«
Der Anwalt sah ihn milde an. »Mit wem habe ich die Ehre? Herr Flau, nicht wahr? Der zweite Inhaber dieser bemerkenswerten Firma. Dieser sehr bemerkenswerten Firma!« Errückte an der Brille. »Ich muß Sie auf einen Rechtsirrtum aufmerksam machen, Herr Flau: Die Straße dient dem öffentlichen Verkehr. Ich kann hier stehen, wo ich will.« Und er ging noch näher an den Kreis.
»Siebrecht!« rief Kalli warnend.
Karl Siebrecht warf nur einen Blick auf den Spion. »Los!« rief er und sprang auf den nächsten Wagen. Die Kutscher begriffen im Augenblick, auch sie sprangen und bildeten nun eine erhöhte Versammlung, während der kleine Mann unten stand. Oben steckten sie die Köpfe zusammen.
In unerschütterlicher Gelassenheit zuckte Ziegenbrink die Achseln, legte die Hände auf den Rücken und wandelte gemessen die Frankfurter Allee hinunter, seinem Büro entgegen. Kräftig wurde von den Kutschern hinter ihm dreingelacht. Noch einmal gab Karl Siebrecht seine Instruktionen. Jeder Mann bekam die Telefonnummer des Büros, Kalli Flau Geld für Hafer. Dann rollten die Wagen fort. Sogar das Klappern der Räder schien heute kläglich zu klingen. Die blankgeputzten Messingbeschläge an den Geschirren ließen die Pferde nur noch elender aussehen.
Auch am Eingang zum Fuhrhof sah einer den Wagen nach. Es war Franz Wagenseil, der dort wieder stand, die Hände in den Taschen. Karl Siebrecht ging an ihm vorbei, er mied den Blick des anderen nicht, er suchte ihn auch nicht. »Du, Karl«, rief Wagenseil halblaut.
»Was ist noch?« Karl Siebrecht blieb stehen.
»Vielleicht können wir uns doch noch irgendwie vergleichen?«
»Es ist zu spät, Franz!«
»Das soll also
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