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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wollen!«
    »Ich habe übrigens den Wagenseil heute auch gesehen«, sagte Kalli Flau plötzlich.
    »So? Du auch? Hier auf dem Büro?«
    »Nein, bei unserem Wagen am Anhalter. Er hatte einen Mann bei sich, sie sahen sich zusammen die Pferde an. Es war ein ziemlich großer, fetter Kerl, er sah wie ein Viehhändler aus. Wagenseil sagte Emil zu ihm.«
    »Emil? Das kann Emil Engelbrecht gewesen sein, das ist ein Pferdehändler! Was kann das nur wieder bedeuten? Franz wird doch nicht jetzt noch Pferde kaufen!«
    Einen Augenblick schwiegen alle. Dann sagte Rieke: »Na, Mensch, Karle, wenn der mit Emil seine Jäule ansieht, dann will er doch Pferde vakoofen, det is doch klar!«
    »Das kann der Franz aber nicht. Er hat gerade noch Anspannung genug für unsere Wagen, und die muß er halten, dazu ist er verpflichtet! – Nein, dahinter steckt etwas anderes!«
    »Aber wenn er keine Pferde kaufen und keine verkaufen kann, was kann dann noch dahinterstecken?« fragte Kalli Flau.
    »Na, Mensch«, sagte Rieke wieder. »Man kann doch ooch Pferde tauschen!«
    Einen Augenblick sahen sich alle drei an. Dann rief Karl Siebrecht: »Die Rieke hat’s mal wieder! Rieke, du mit deinem gesunden Menschenverstand! Natürlich will er die Pferde gegen schlechtere eintauschen, das gibt Geld – für seinen Anwalt und vielleicht auch für seine Gewächshäuser! Aber ichdenke beinahe, er vergißt jetzt sogar seine Gewächshäuser über dem Kampf gegen uns. – Also, paß auf, Kalli! Es hilft alles nichts, du mußt dich an seine Kutscher heranmachen. Ein paar von ihnen sind ganz ordentlich. Versprich ihnen was –«
    »Was denn? Mit ’ner Molle und ’nem Korn ist das nicht abgetan, Karl!«
    »Versprich ihnen«, sagte Karl Siebrecht mit Nachdruck, »daß wir sie eventuell in unsere Dienste übernehmen! Ich habe das feste Gefühl, daß bei diesem Kampf einer auf der Strecke bleibt, und das muß Franz Wagenseil sein! Also versprich ihnen das! Denen ist die Liederwirtschaft bei Franz doch auch über. Geh gleich los, Kalli! Nimm das Rad vom Egon, sieh, daß du noch möglichst viele Kutscher erwischst. Rede mit ihnen! Horche, ob der Franz mit dem Engelbrecht auch noch bei den anderen Gespannen gewesen ist, schone ihn nicht, er schont uns auch nicht!«
    »Schön«, sagte Kalli und griff schon nach seiner Mütze. »Ich fahre dann gleich los. – Aber, Karl, wäre es nicht das schlaueste, du sähest dich schon nach einem anderen Fuhrherrn um? Du kannst heute zehn für einen haben, so wie wir bezahlen!«
    »Ja, wenn ich das könnte!« rief Karl Siebrecht. »Aber der Vertrag sagt ganz klar, daß ich meine Gespanne nur von Franz nehmen darf. Wir sind auf ihn angewiesen, er mag uns noch so sehr schikanieren! Nehme ich nur ein Gespann woanders, legt der Anwalt uns sofort rein!« Er sah Kalli an. »Ach, Kalli, du sagst immer: was ich mache, ist richtig. Aber mit diesem Vertrag habe ich die größte Dummheit meines Lebens gemacht! Nie wieder mache ich einen Vertrag, der mich einem Menschen ganz in die Hände liefert! Also mach’s gut, Kalli!«
    »Mach du es auch gut, Karl«, antwortete Kalli Flau, und die beiden jungen Männer gingen.
    Karl Siebrecht lief lange Stunden ziellos durch die Straßen. Ein schwerer Druck lastete auf ihm, das Vorgefühl kommenden Unheils wollte nicht von ihm weichen. Ferne war der Tiergarten, ferne das junge Mädchen mit der Handtasche.Wie billig schien jetzt alle Blasiertheit des Herrn von Senden! Er sollte ruiniert werden, und einer, den er trotz all seiner Schwächen noch immer für seinen Freund angesehen hatte, der war es, der ihn ruinieren wollte! Er oder ich, sagte er sich, und daß es keine andere Wahl gab, das war’s, was ihm das Herz schwer machte! Der Jammer der Jugend hatte Karl Siebrecht gepackt, alle Ideale der Kindheit sah er zerbrochen! Diese Welt war trostlos, der Geschmack des Lebens ekelte ihn, als äße er Fäulnis. Er fühlte sein Herz unter dem harten Griff seufzen …

42. Ein Hausfriedensbruch

    Früh kamen Karl und Kalli auf den Fuhrhof, doch nicht zu früh. Sie fanden die Kutscher zusammengerottet um den alten Fuhrmeister, und die Kutscher waren empört! Die Jungen warfen einen Blick in die Stände, und auch sie waren empört. Nicht umsonst hatte Wagenseil gestern mit dem Pferdehändler Engelbrecht einen Rundgang gemacht: über Nacht waren alle Pferde ausgetauscht, und was da jetzt in den Ständen die Köpfe hängen ließ, das war die traurigste Versammlung elender Krippensetzer, die je in einem Berliner Stall

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