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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Badezimmer wurde, was in allen umliegenden Häusern als reiner Hochmut abgelehnt wurde: »So wat jehört an den Kurfürstendamm, nich bei uns!«
    Dann kam der Einzug der Waren. Es kamen neue Möbel, es kamen Betten, ja, es kamen sogar Teppiche. Die Schneiderstube zog hinaus in den doch unbenutzten Laden, aus ihr wurde ein Wohnzimmer. Und aus der Stube, in der früher die jungen Männer geschlafen hatten, wurde das Schlafzimmer der jungen Eheleute. Kalli Flau aber zog nach hinten, seine Stube ging nun auf den dunklen Hof hinaus. Hier hatte früher Rieke mit der kleinen Tilda geschlafen, hier wurde fast nichts erneuert, hier machte der Elan Riekes halt, hier waren ihre Devisen zu Ende. »Det kommt späta, Kalli!« sagte sie tröstend.
    Wollte sie den getreuen Freund strafen? Sie war viel zu glücklich dazu! Aber wie alle Glücklichen war sie gedankenlos, sie dachte nicht daran, daß, was ihr Glück war, ihm Schmerz bedeutete. Kalli Flau hatte in diesen Wochen mancherlei Anlaß, einen Vergleich zu ziehen zwischen dem trüben apathischen Mädchen, das der Hochzeit mit ihm entgegengebangt hatte, und diesem tatkräftigen, vor Lebenslust sprühenden jungen Weib, das den Tag der Vereinigung mit Karl Siebrecht gar nicht erwarten konnte. Sicher zog er Vergleiche. Aber sie überzeugten ihn nicht, daß Karl Siebrecht der richtige Mann für Rieke Busch war, sosehr es jetzt auch danach aussah. Doch sprach er nie mehr davon mit ihr. Er blieb unverändert freundlich zu ihr, er erwähnte es nie, daß dies ja eigentlich seine Devisen waren, die für seine Hochzeit gespart waren.
    Karl Siebrecht sah mit zufriedenem Lächeln dem eifrigen Wirtschaften seiner Rieke zu. Nur ein paarmal schritt er ein, so, als sie eine rot verglaste Ampel für ihr Schlafzimmer und ein schönes buntes Bild über das Bett erstanden hatte. Auf diesem Bild ließen Englein Rosen herabregnen auf eine nur mangelhaft bekleidete Dame, die sich wollüstig auf einem Blumenpfühl wälzte.
    Es gab keine Auseinandersetzung deswegen. »Det magste nich?« hatte Rieke bloß erstaunt gefragt. »Der Bilderonkel hat mir doch jesagt, det bammeln sich alle wirklich feinen Leute übers Bette! Na, denn sieh zu, daß du wat Besseres schnappst!«
    Und als er mit einem Blumenstück ankam, sagte sie erstaunt: »Det jefällt dir nu bessa? Det vasteh ick nich! Blumen kannste dir doch in ’ne Vase hinstellen, dafor broochste doch keenen Maler! Aber Engel und ’ne Jöttin –! Na, mach wie de willst, uff dem glatten Rahmen läßt sich ooch bessa Staub wischen, uff dem anderen war zu ville Joldklimbim!«
    Nein, keinerlei Auseinandersetzungen wegen solcher Dinge, es ging alles glatt. Karl Siebrecht ließ die Rieke wirtschaften und machte sich nicht die geringsten Gedanken über die Herkunft der Devisen und den schlecht ausgestatteten Kalli Flau und die aufs Land verbannte Tilda. Er fand die Teppichmusterwie die Tapeten fürchterlich, aber es war ihm gleichgültig, und er dachte nicht einmal darüber nach, warum ihm die Einrichtung seines künftigen Heims so völlig gleichgültig war. Er lief in diesen Wochen viel in der Stadt herum, er redete und hörte zu auf Bahnhöfen, in Büros, in mancher Wohnung. Und allmählich legte sich immer fester, immer niederdrückender die finstere, die verzweifelte Stimmung dieser Stadt auf ihn, in der alles, gierig oder apathisch, nur noch den Untergang zu erwarten schien.
    Karl Siebrecht war wirklich befreit aus der Kriegsgefangenschaft heimgekommen. Er war von einer langen, schweren Krankheit genesen, der Zwang war von ihm genommen, der Krieg war zu Ende. Er hatte geglaubt, wieder arbeiten, Neues aufbauen zu können. Nun mußte er hören, daß niemand mehr an Aufbau glaubte. Es geht doch alles zugrunde, sagten sie. Warum noch arbeiten? Und sie legten die Hände in den Schoß oder schoben mit – ganz nach ihrer Veranlagung. Aber wenn er müde und trostlos nach Haus kam, wenn alle Gänge umsonst gewesen waren – da war dann Rieke zu Hause, Rieke, lebendiger denn je, tatkräftiger, glücklicher, strahlender als je zuvor! Sie lief in seine Arme, sie zog ihn mit sich, sie hatte ihm dies oder jenes zu zeigen. Über ganz Berlin lag ein grauer, erstickender Schleier, aber hier, in diesen paar Räumen der Eichendorffstraße, schien die Sonne, hier wohnte das Glück, hier wurde gelacht, und hier wurde auch noch etwas aufgebaut. »Ach, Rieke«, sagte er dann wohl lachend, »warum hast du eigentlich Stühle mit so unglaublich krummen Beinen ausgesucht? Möchtest

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