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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Oberhemd. »Willst du wieder Lastautos kaufen?« fuhr Hans Tischendorf fort. »Ich habe zufällig gesehen, daß du hier mal Großkäufer gewesen bist! Aber mit dem Fuhrgeschäft ist es doch vorbei. Heute muß man handeln, mein Lieber, nur handeln! Beim Arbeiten setzt man Geld zu, beim Handeln muß man ja verdienen, schon durch die Markentwertung!« Er sah den ehemaligen Feind an. »Ich mache diesen Laden hier nur noch nebenbei«, sagte er lässig. »Ich habe eine eigene Firma in der Wallstraße. Gebrauchtwagen, verstehst du? Wenn du zu mir kommst, kann ich dir was zeigen. Man kann gebrauchte Wagen heute erstaunlich billig kaufen – Heeresgut, verstehst du? Man muß natürlich nicht zu genau nach den Papieren fragen, und die Wagen müssen ein bißchen anders angepinselt werden – aber für hundert Mark kann man ja einen Haufen Farbe kaufen, was?« Wieder lachte er. »Sag mir nur, was du brauchst, Siebrecht! Ich besorge dir alles! Du kannst dir den Wagen gewissermaßen auf der Straße aussuchen, und eine Woche später hast du ihn! Das sind Geschäfte, was?«
    »Du bist also doch in der alten Branche geblieben, genau wie auf dem Stettiner Bahnhof, wo dir manchmal Koffer verlorengingen, Tischendorf!« sagte Karl Siebrecht kalt.
    Der andere hörte auf zu lachen. Sofort bekam sein Gesicht den alten feigen und doch frechen Ausdruck.
    »Wo treffe ich Herrn Gollmer?«
    »Den Alten? Keine Ahnung! Habe ihn nie gesehen, kenne ihn gar nicht. Kommt nie hierher. Ich glaube, er ist nur noch stiller Teilhaber, wenn er überhaupt noch in der Firma ist!«
    »Danke!« sagte Karl Siebrecht.
    »Du, Siebrecht, du verstehst doch Spaß? Ich habe eben doch nur einen Spaß gemacht, das verstehst du doch?! Natürlich bin ich nur Angestellter, ich wollte nur ein bißchen angeben vor dir!«
    »Guten Tag!« sagte Karl Siebrecht und ging.
    Er hatte schon ein paarmal versucht, in der Villa am Grunewald anzuläuten, aber er hatte keine Verbindung bekommen. Nun fuhr er hinaus. Alle Jalousien waren heruntergelassen, die Villa war unbewohnt. Eine Weile stand er am Gitter und sah in den Garten. Auf den Wegen lag totes Laub, ein Spaten steckte verloren in einem Beet. Nach kurzem Umsehen schwang er sich über die niedrige Eingangspforte. Eilig ging er um das Haus herum. Dies waren die Spaliere, die er an einem denkwürdigen Tage gegen Blattläuse behandelt hatte. Dort hinten stand der Schuppen mit dem Gartengerät. Langsam ging er zu der Laube, in der er einmal Kaffee, einmal Bowle mit den Gollmers getrunken hatte. Er setzte sich auf die feuchte Holzbank, er starrte vor sich hin. Er erinnerte sich des Tiergartens, der Handtasche, des zerrissenen Bildes. Wo war wohl jetzt der schmissige Herr? War er gefallen wie so viele, oder hatten die beiden geheiratet, warf sie jetzt ihre hellen Locken für ihn zurück, lachte für ihn? Er zog seine Brieftasche, nahm einen Zettel und schrieb darauf die Worte: »Ich hätte Sie gerne einmal gesprochen. Ihr Siebrecht.« Er zögerte einen Augenblick, plötzlich war er sich nicht ganz sicher, daß man sich nach fünf Jahren dieses Namens erinnern würde. So setzte er seine Firma darunter: »Siebrecht & Flau, Berliner Gepäckbeförderung« – den Namen einer gestorbenen Firma. So war es heute: das Lebendige mußte sich durch das Tote erklären. Mit dem Zettel in der Hand stieg er die Stufen zur Villa hinauf. Aber als er schon die Klappe zum Briefkasten gehoben hatte, wurde er wieder anderen Sinnes. Er ließ sie fallen – es tönte hohl aus dem unbewohnten Hause wider – und zerknüllte den Zettel. Es hatte alles keinen Zweck. Man erweckte Totes nicht wieder zum Leben. Es war eben vorbei …

64. Dann sprechen wir uns wieder

    Es blieb ihm noch ein Weg, ein allerletzter. Wohl hatte er immer die Hilfe dieses Mannes abgelehnt, schließlich hatte er sogar eine Art Abkommen mit ihm geschlossen, sich nie von ihm helfen zu lassen. Aber jetzt?
    Kalli Flau war kein geschwätziger Mensch, von selbst erzählte er nie etwas. Aber allmählich bekam Karl Siebrecht doch Einblick in die nächtlichen Fahrten des Taxichauffeurs, er begriff, warum der Freund so finster und mutlos am Morgen heimkam.
    Es war kein schlechtes Geschäft, es brachte Geld, manchmal sehr viel Geld. Aber es war ein übles Geschäft: Betrunkene von einem Nachtlokal ins andere fahren. Schiebern Klubadressen verraten, in denen sie das Geld, das sie sich mit Lebensmitteln erwuchert hatten, verspielen konnten, für betrunkene Pärchen ein fahrendes Sofa sein, andere

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