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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Hause. Eine Weile saß er unentschlossen bei Rieke herum. Ein paarmal machte er den Mund auf, das zu sagen, was ihm das Herz bedrückte, aber er schloß ihn wieder. Er konnte es noch nicht sagen, ihm war, als habe er wieder einmal eine Schlacht um diese Stadt Berlin verloren.
    Rieke, die sonst fast ängstlich jede seiner Stimmungen beobachtete, merkte heute nichts. Die Wohnung für das junge Paar war fertig, nun nähte sie an dem Kleid, in dem sie mit ihm aufs Standesamt gehen wollte, einem grauen Kostüm.Ihre Blässe war verschwunden, sanfte Röte lag auf ihren Wangen, jede ihrer Bewegungen war energisch und rasch. »Bloß noch drei Tage, Karle«, lächelte sie ihn an. »Ick freu mir so. Freust du dir auch?«
    »Doch, ich freu mich auch, Rieke«, antwortete er und erwiderte etwas matt ihr strahlendes Lächeln.
    »Frau Friederike Siebrecht«, sagte sie stolz. »Du, Karle, wie hieß denn deine Mutter eigentlich?«
    »Klara.«
    »Frau Klara Siebrecht«, versuchte sie. »Na ja, Karle, det klingt ooch janz schön, aber Frau Friederike Siebrecht klingt noch bessa. Wat?«
    »Natürlich!« antwortete er. »Muß ich dich dann immer Friederike nennen?«
    »Ach, du Affe!« lachte sie. »Du weeßt janz jut, wat ick meene!«
    »Ist es nicht Zeit, Kalli zu wecken?«
    »Doch ja. Willst du et tun? Ick jeh aber och jern.«
    »Laß man, ich geh schon.«
    Aber Kalli Flau war schon wach. Er saß auf dem Bettrand und schnürte seine Schuhe. »Ist recht Karl«, sagte er. »Ich bin schon von selbst wach geworden.«
    Karl Siebrecht ging ans Fenster und sah auf den fast schon ganz dunklen Hof hinaus. Plötzlich fiel ihm der alte Busch ein, der dort mit seinem Besen hantiert hatte. »Wo wohl die drei Borsten hingekommen sind?« fragte er halblaut.
    »Welche Borsten, Karl?«
    »Die drei glückbringenden Borsten, die er mich an dem Tag hat ziehen lassen, wo ich zum ersten Mal zu Gollmer ging. Ich finde, ich könnte sie wieder mal brauchen!«
    »Was schiefgegangen?«
    »Alles!« Karl Siebrecht rief es fast zornig. Dann ruhiger: »Von nun an fahre ich mit dir Taxi, du in der Nacht, ich am Tage. Oder umgekehrt, ganz, wie du willst. Jetzt hast du das Kommando.«
    »Du weißt, daß ich nie was zu kommandieren habe, Karl«,sagte Kalli Flau ruhig, und mit einem Kopfnicken nach der Tür: »Weiß Sie es schon?«
    »Nein. Ich mag’s ihr noch nicht sagen. Ich komme mir so blamiert vor! Taxichauffeur!«
    Kalli Flau war wiederum nicht gekränkt. »Es ist kein schlechtes Brot heute, Karl. Ich bin froh, daß wir’s gehabt haben. Wenigstens ist es ein sicheres Brot.«
    Plötzlich verstand Karl Siebrecht erst, was er gesagt hatte. »Ach, Kalli«, rief er, »sei mir nicht böse! Ich meine ja bloß, weil ich immer so große Pläne habe und weil diesmal gar nichts daraus geworden ist, aber rein gar nichts! Ich wollte dich wirklich nicht kränken, Kalli!«
    »Du hast mich nicht gekränkt, Karl. Aber paß auf, wenn du es ihr sagst, daß du sie nicht merken läßt, wie ungern du Taxi fährst.«
    »Glaubst du denn, das stört sie? Warum wohl? Ich glaube, es ist ihr ziemlich egal, was ich tue.«
    »Du hast wirklich keine Ahnung von dem, was Rieke freut und ängstigt, Karl!«
    »Und was freut sie?«
    »Zum Beispiel, daß du Taxichauffeur wirst. Und du darfst ihr diese Freude nicht verderben.«
    »So? Und wovor ängstigt sie sich?«
    »Aber vor deinen großen Plänen doch!«
    Karl Siebrecht schwieg eine Weile nachdenklich, dann sagte er: »Aber möchte sie denn, daß ich immer so klein bleibe, ohne Aussicht auf Vorwärtskommen? Da irrst du dich aber in Rieke, Kalli, Rieke gönnt mir alles!«
    Jetzt war es Kalli, der schwieg. Dann aber entschloß er sich und fragte: »Und warum, meinst du wohl, hat sie diese Wohnung so schön eingerichtet, warum freut sie sich, daß du Chauffeur wirst? Jawohl, sie gönnt dir alles. Aber sie fürchtet sich davor, daß du irgendwohin gehst, wohin sie dir nicht folgen kann. Hier in der Eichendorffstraße gehört sie zu dir, ich glaube, du hast ihr mal was von einer Villa im Grunewald erzählt, damit hast du sie sehr erschreckt.«
    »Rieke ist wie ein Kind«, sagte Karl Siebrecht jetzt lächelnd. »Die Grunewaldvilla liegt zwanzig Jahre weit, und vielleicht kommt sie nie. Kommt sie aber, wird sie sich daran gewöhnen.«
    Wieder schwieg der Freund im Kampfe mit sich, und wieder entschloß er sich. »Rieke wird sich nicht umgewöhnen, Karl. Hierher in den Norden und Osten Berlins gehört sie, an jedem anderen Platz wird sie unglücklich

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