Ein Mann will nach oben
dunklen Wald hinein, tiefer ins Dunkle, verschwand, wurde unsichtbar. Karl Siebrecht starrte ihm nach.
»Na, denn man los!« sagte Hoppe. »Hat der Bulle dir Geld gegeben?«
»Nein.«
»Mir auch nicht. Na, wir werden schon durchkommen. Vielleicht gibt der Herr uns was. Du mußt doch tanken.«
Aber sie bekamen den Herrn gar nicht wieder zu sehen. Kurz nach acht kamen sie auf den Rittergutshof, und da liefen nun die jungen Leute herum, die in der Nacht mit ihnen gearbeitet hatten. Jetzt waren sie Inspektoren und Rechnungsführer und taten fremd und unbekannt. Nur daß sie nach Art der jungen Leute es nicht lassen konnten, manchmal einen heimlich zwinkernden Seitenblick zu werfen. Sie aßen mit ihnen, und Karl Siebrecht und Hoppe bekamen dann ein Zimmer, wo sie schlafen konnten. Unterdes wurden die Flockensäcke aufgeladen. Es sollte erst am nächsten Morgen weitergehen. Abends gingen sie alle zusammen in den Gasthof, aber auch hier wurde nichts erwähnt und nichts erzählt, sie tanzten und dalberten ein bißchen mit den Dorfmädchen, es wurde geraucht und ein wenig getrunken.
Wozu sollte auch etwas erzählt werden? Karl Siebrecht brauchte nicht mehr zu fragen, weder den Dumala noch den Beifahrer Hoppe, noch sonst einen. Auch ohnedies wußte er Bescheid. Gerade vor kurzem waren die Zeitungen davon voll gewesen, daß Mitglieder einer Entente-Kommission in einem Hafenort tätlich beleidigt worden waren – die deutsche Reichsregierung hatte sich entschuldigen und schwere Buße zahlen müssen. Diese Entente-Kommissionen, die überall im Deutschen Reich herumreisten, in alle Werke, auf alle Lagerplätze ihre Nasen steckten, ob Deutschland auch sämtliche Waffen abgeliefert hätte – diese Entente-Kommissionen, die das Volk nur Schnüffelkommissionen nannte, hatte nun auch Karl Siebrecht betrogen. Er hatte Waffen verstecken helfen. Wenn er erwischt wurde, wurde er bestraft, aber dann wurdeKarl Siebert bestraft – und den gab es nicht. Fragte sich nur, was Rieke zu alldem sagen würde?
Auf der langen Heimfahrt, ausgeruht und gut gefüttert, dachte Karl Siebrecht lange darüber nach, was er Rieke sagen sollte, ob er ihr überhaupt etwas sagen würde. Hatte es einen Zweck? Sie würde dagegen sein, sie mußte dagegen sein, sie war für ein ruhiges Leben, ein behagliches Auskommen. Abenteuer haßte sie. Er aber hatte den Entschluß gefaßt, dies erst mal weiter mitzumachen, es war besser als Taxifahren. Es lag auch mehr Sinn darin. Wozu ihr also etwas sagen? Aber irgend etwas mußte er ihr doch sagen!
Der Wind pfiff über die weiten Felder, durch die der Pflug ging, der Wagen dröhnte und klapperte, ein paar Ketten klirrten. »Bist du eigentlich verheiratet?« fragte Karl Siebrecht seinen Beifahrer, der jetzt neben ihm saß.
»Nee, gottlob nicht!« lachte der. Und nach einer Pause, als habe er die Gedanken des anderen erraten: »Wirst du weitermachen oder –?«
»Doch«, sagte Karl Siebrecht. »Ich werde weitermachen.«
»Schön!« sagte der andere nur, und wieder schwiegen sie.
Und was werde ich Rieke sagen? fragte sich Karl Siebrecht wieder. Er wollte sich trösten: Wenigstens bringe ich ihr einen Haufen Geld mit, mehr als ich in zwei Wochen Taxifahren eingenommen habe. Denn es hatte sich gezeigt, daß Dumala auch daran gedacht hatte. In der Tasche für die Papiere hatten drei Umschläge mit Geld gesteckt, jeder mit einer Aufschrift, aber ohne Namen: Fahrer – Beifahrer – Tanken hatte daraufgestanden.
Wenigstens bringe ich ihr viel Geld nach Haus; wiederholte er sich beharrlich. Und wußte doch, daß dies Unsinn war, daß es Rieke gar nicht auf Geld ankam, sondern auf ganz etwas anderes, das er nicht geben konnte. Eigentlich führe ich gar keine richtige Ehe, dachte er plötzlich und erschrak sehr. Aber nun ließ ihn dieser Gedanke während der ganzen Fahrt nicht mehr los.
70. Heimkehr von der Fahrt
Er hatte sich zum Schluß seiner Fahrt möglichst beeilt. Er hatte gehofft, noch Kalli Flau anzutreffen. Die bevorstehende Auseinandersetzung mit Rieke schien ihm leichter, wenn der schweigsame, getreue Freund dabei war. Aber dann war es doch nach acht Uhr geworden, ehe er in der Eichendorffstraße anlangte. Kalli war schon auf Nachtfahrt, und Rieke saß noch immer an ihrer Maschine.
»Guten Abend, Rieke«, sagte er. »Da bin ich wieder. Engelbrecht hat doch Bescheid geschickt?«
»Bescheid ha ick bekommen«, sagte sie und sah kurz von der Maschine auf. »Von wem der kam, weeß ick nich. Nu schön, also von
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