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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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fest einwickeln. Und schlief doch schon. Schlief und sah das weiße, wie mehlbestäubte Gesicht des Bäckers Ernst über sich, eine Hand lag fast ganz um die Kerzenflamme, ein schmaler Lichtstreif stach in seine Augen. Er blinzelte mühsam.
    »Du!« flüsterte der Bäcker. »Haste ooch schon wat mit die kleenen Mächen?« – Ich will bloß schlafen, dachte er. Was will denn der? Er hatte es vielleicht auch laut gesagt. – »Haste wat mit die Rieke?« flüsterte der Bäcker wieder. »Se hat dir so komisch anjekuckt, so hat se noch nie uff mir jesehen.« Er gab dem Karl Siebrecht einen Stoß. »Hörste, Jenosse –?!« – Aber Karl Siebrecht war trotz des Stoßes davon überzeugt, daß er nur träumte. Er warf sich herum gegen die Wand. – »Ick habedir jewarnt«, hörte er den anderen noch. »Wenn ick wat merke, ick flüstre es dem Ollen, und der Olle bringt dir um!« Aber das war nur Traum, Traum, Traum. Das war nichts Wirkliches.
    Und am nächsten Morgen hatte Karl Siebrecht wirklich alles vergessen. Nur den Bäcker, den er am Abend doch noch ganz gerne gemocht hatte, konnte er nun nicht mehr ausstehen. Er wußte nur nicht, warum.

8. Auf der Arbeitsuche

    Der Junge meinte, kaum eingeschlafen zu sein, da riß die Brommen an seiner Decke und rief: »Sollst machen, mit dem ollen Busch uff Arbeet jehen! Die Rieke ist dajewesen!«
    Karl Siebrecht fuhr hoch im Bett und gegen einen Dachsparren, daß sein Schädel krachte. Durch das schräge kleine Fenster fiel noch kein Tageslicht, das Bett des Bäckers war leer. In Hosen schlurrte er in die Küche und wusch sich kalt ab. Die Brommen drehte ihm den Rücken. »Genier dir nich und zier dir nich«, versuchte sie zu singen. »Ick kieke nich. – Jott, ooch Zähneputzen? Det muß ick die Rieke erzählen, so’n feinen Schlafburschen ha’ ick noch nich jehabt. – Mach zu mit’s Kaffeetrinken, Jung, der olle Busch muß um achten an der Baustelle sind, weil’s erst so spät helle wird, aber det muß er.«
    Der Kaffee schmeckte anders als der von Minna gekochte, und die Butter war keine Butter, sondern Margarine, aber Karl Siebrecht hatte den Appetit der Jugend und aß tüchtig. »Na, det is richtig, iß man tüchtig!« sagte die Witfrau Bromme. »Und nu jeh los, den Weg zu Buschens wirste ja wohl finden.«
    Es war aber gar nicht so einfach, diesen in der Nacht gemachten Weg wiederzufinden. Bei dem ersten schwachen Tagesschimmer sahen die Höfe womöglich noch trostloser, noch dunkler aus. Die vielen Eingänge verwirrten Karl. Erst als er eine Treppe bis ins oberste Stockwerk hinaufgelaufen war, merkte er, daß er sich geirrt hatte, und mußte noch einmal treppab und treppauf. Als ihm Rieke die Tür öffnete,keuchte er vom Laufen. Es war wieder eine ganz andere, sehr kindhafte Rieke, mit einer Schultasche auf dem Rücken. »Ick muß in de Schule – sonst müssen wa wieda Strafe zahlen. Muß Tilda alleen bleiben, die wird schön wat plärren. Aber ick sage unserm Frollein Bescheid – ick ha’ nich so viel Zeit wie die, zur Schule zu jehen! Mach’s jut, Karl!« Sie gab ihm die Hand und lief schon die Treppe hinunter. Karl Siebrecht sah ihr nach. Der vor ihm liegende Tag schien ihm plötzlich ohne seine kleine helle Freundin sehr grau.
    Maurer Busch saß, schon mit der kalkweißen Schirmmütze auf dem Kopf, am Tisch und fütterte die Tilda von einem Teller. »Na, Tilda«, sagte er, »da ist der Junge. Morjen, Junge! Nu legste dir noch schön in deine Betten und spielst mit deinem Püpping.« Schon bei seinen ersten Worten hatte das Kind zu weinen angefangen, nun brüllte es lauthals. Einen Augenblick stand der starke Mann unentschlossen mit dem zornigen, strampelnden Kind auf dem Arm, den unbestimmten Blick seiner hellen Augen wie um Hilfe auf Karl gerichtet, dann murmelte er: »Det hilft nischt, Tilda! Brüllen hilft bei uns allen nischt.« Er verschwand mit dem Kind in der Stube, das Brüllen verstärkte sich. Dann erschien der Mann rasch wieder, nahm seinen Rucksack, in dem das Maurergeschirr klirrte, und drückte dem Jungen ein Paket in die Hand: »Det sind deine Stullen, Jung!«
    Er drängte ihn aus der Tür. Nicht zu früh, denn in der Stubentür erschien wie ein tobender Zwerg Tilda und schoß auf sie zu. Aber Busch hatte schon die Tür eingeklinkt und verschlossen. Es war erstaunlich, welchen Lärm mit Mund, Händen und Hacken so ein kleines Mädchen an der Tür vollführen konnte! Der alte Busch seufzte noch einmal schwer und stieg dann, ohne ein Wort an seinen

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