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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Mutta. Rieke, wat biste?« Zum ersten Mal nannte der Mann seine Tochter Rieke, aber selbst der unerfahrene Karl Siebrecht verstand, daß er nicht seine Tochter so nannte.
    »Deine Beste«, antwortete Rieke.
    »Wen liebste, Rieke?«
    »Dir, Walter, bloß dir!«
    »Ha’ ick dir was Böses getan, Rieke?«
    »Nie nich, Walter, immer jut. Immer jeduldig. Immer arbeetsam.«
    »Jib mir ’nen Kuß, Rieke.« Und sie gab ihm einen Kuß.
    »Un nu schlaf in, Walter«, sagte das Mädchen und löste sanft den Arm von seinem Hals. »Komm, leg dir in de Klappe!« Und sie führte den vor Schlaf fast Taumelnden nebenan in die Stube.
    Als sie zurückkam, stand Karl Siebrecht am Fenster und starrte hinaus in die Nacht. Das helle Mädchen stellte sich neben ihn und sah mit ihm, zum ersten Mal auch sie wortlos, hinaus in die Nacht, über die Dächer fort, über die der Novemberwind stürmte. Vom Himmel war nichts zu sehen, noch lastete das Dunkel über der Stadt. Kein Stern, kein Mond – nur ein fahler Schein, der die Finsternis noch unterstrich. Schließlich sagte Rieke: »Von deine Arbeet ha’ ick mit Vata nu nich reden können, det vastehste?«
    »Natürlich.« Er wandte den Blick vom Dunkel fort, sah in ihr helles Gesicht und sagte: »Wie du das alles aushältst, Rieke? Ich komme mir ganz schlapp vor. Ich bewundere dich!«
    »For wat denn, Karl?« fragte sie. »Sag bloß, for wat? Wejen de Arbeet und wejen Vata’n? Sei man bloß ’ne Weile bei uns, denn siehste andere Arbeet. Und Vata is doch jut. Vata tut keenem nischt.«
    »Und du hast nie Angst vor ihm?«
    »Vor Vata’n? Doch, Karl, manchmal. Der is ja oft nich janz von hier. Denn denk ick, er richt’ noch mal een Unheil an. Darum hätt ick ihn ja jerne vaheirat’, det er ’ne richtje Uffsicht hat, aba wat nich is, det is nich. Ick wer’s der Brommen jleich saren, die is ne vanünftije Frau, se wird det bejreifen. – Un nu, Karl, packe nur aus, und du puppst dir um. Die Tracht hängen wa weg, bis de weiter bist. Vorläufig biste nischt als een unjelernter Arbeeta, da mußte dir ooch wie so eena tragen.« Nach einerhalben Stunde war alles ausgepackt, und Karl trug die reichlich weite Manchesterhose des Vaters und eine Joppe. Erst hatte er protestiert, aber Rieke hatte gesagt: »Du mußt aussehen, det se dir nich jleich uff de Schippe nehmen. Se werden dir noch jenug verasten von wejen deine Sprache und deine feinen Pfoten. Aba laß sie, da mußte doch durch, det wirste schon schaffen.«
    Nun ging er mit Rieke durch das dunkle, immer geräuschvolle Haus. Sie trug den kleinen Petroleumblaker, der Lichtschein fiel auf die ausgetretenen, beschmutzten Stufen und manchmal auf ihre kleinen Füße, die so müde sein mußten, ach, so müde!
    »Wann gehst du schlafen, Rieke?«
    »Jetzt jleich, wenn de versorgt bist.«
    »Und wann stehst du auf?«
    »Wo Vata wieder arbeet, um halb sechse. Hab keene Angst, ick weck dir rechtzeitig, wenn Vata wat for dir weeß.«
    »Dann hast du kaum fünf Stunden Schlaf.«
    »Det macht nischt, Karle, da schlaf ick een bißcken schneller zu. Det jleicht sich aus.« Sie gingen über zwei Höfe zurück, dann in ein Quergebäude und fingen wieder an, Stufen zu erklettern. »De Brommen hat’s jut, die hat ’ne feine Wohnung«, sagte Rieke. »Ick dachte schon, ick könnte mit Vata’n und Tilda bei ihr ziehen. Na, wieder mal nischt!«
    »Aber es riecht hier genauso, und die Treppen sind genauso scheußlich wie bei euch!«
    »Aber der Hof, Karl! Haste nich uff ’n Hof jeachtet?«
    »Der Hof? Der ist genauso düster wie bei euch.«
    »Du hast ’nen Blick, Karl, dir sollten se zum Baurat machen – for Arbeeterwohnungen! Der Hof hier is fast doppelt so jroß wie unserer! Wenn de Brommen de Fenster uffmacht, kriegt se Luft, ick bloß Gestank, und sie hat im Sommer Sonne, ick nie!« Damit waren sie an der Tür angelangt, Rieke klopfte leise, und die Tür ging auch gleich auf. Die Brommen war eine schwere Frau mit fast zu frischen Farben, sehr mit gestrickter Wolle bedeckt.
    »Seid ihr endlich da?« fragte sie. »Der Ernst hat ma schonBescheid jesagt. Det Bett is frisch bezogen, und det du’s jleich weißt: det Schlafen kost’ vier Mark die Woche, immer im voraus. Alle vier Wochen wird frisch bezogen. Und wenn de Frühstück haben willst, kost’ es ’ne Mark fünfzig extra, aber bloß Brot, mit Schrippen freßt ihr mir arm! Einverstanden?«
    »Det is jerecht, Karl«, sagte Rieke. »Det is in Ordnung. Da schlag in und jib ihr jleich det Jeld for de erste

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