Ein Mann will nach oben
Zeit mit der Rückzahlung?«
»Jawohl, Herr Direktor. Hat Herr von Senden die Absicht –?«
»Er hat sie! Und zwar möchte er das Geld ohne Einhaltung der Kündigungsfrist, am liebsten morgen.«
»Sechzigtausend Mark – morgen! Entschuldigen Sie, Herr Direktor, wenn ich lächle …«
»Sie sehen aber gar nicht nach Lächeln aus. Sie sehen aus, als hätten Sie in eine Zitrone gebissen! – Also schönen Dank, Herr Körnig, rufen Sie mir dann noch Herrn Bremer. Er ist doch hier?«
»Vor einer Viertelstunde gekommen.«
»Ich gehe nachher zu Lange & Messerschmidt, ab vier Uhr bin ich draußen in Nikolassee erreichbar, wenn was Besonderes ist.«
»Es wird schon nichts Besonderes sein, Herr Direktor, in diesen Zeiten!«
Egon Bremer, der ehemalige Lehrling Bremer, der kaltschnäuzige Mann, gegen den Karl Siebrecht eine nicht ganz unbegründete Antipathie hegte, hatte es zum zweiten Direktordes Berliner Bahnhof-Eildienstes gebracht, was für seine Tüchtigkeit sprach. Die beiden Direktoren gaben einander kühl die Hand. Es war ein offenes Geheimnis, daß sie sich nicht gerade liebten. »Der alte Jammerlappen, der Körnig, erzählt mir da eben«, sagte Bremer, warf sich in einen Sessel und streckte die Beine weit von sich, »daß der Senden seinen ganzen Zaster von heut auf morgen haben will –«
»Die Sache regle ich selbst, Bremer«, sagte Karl Siebrecht kühl.
»Ich reiße mir deswegen bestimmt kein Bein aus«, lachte Bremer. »Wir sind ja gewissermaßen eine Familiengesellschaft von Ihnen. Beteiligte: Ihre Frau, Ihr Freund Senden, Ihr Freund Gollmer. Hauptarbeitgeber: Ihr Schwiegervater Eich.«
»Warum erzählen Sie mir das eigentlich?« fragte Karl Siebrecht etwas ärgerlich.
»Nur, um auch meinerseits zu begründen, daß Sie der Berufene sind, diese Angelegenheit Senden zu regeln. Die Sache ist doch die, Siebrecht: wenn der Senden merkt, daß er kein Geld von uns kriegen kann, und er braucht unbedingt was, so wird er versuchen, die Beteiligung zu versilbern. Bietet er sie aber erst aus wie sauer Bier, wird das verdammt auf unseren Kredit wirken. Das könnten wir jetzt gerade noch brauchen!«
»Zu so etwas wird es nicht kommen. Ich werde auch mit Lange & Messerschmidt die Sache besprechen. Die Rechtslage ist ganz klar –«
»Freilich«, antwortete Bremer nachdenklich. »Andrer seits –«
»Was heißt andrerseits?!«
Karl Siebrecht hatte ganz und gar nicht die Absicht gehabt, den Fall Senden mit Herrn Bremer zu besprechen, er war etwas ärgerlich.
»Gott, wenn der Senden ganz nötig Geld braucht, könnte man vielleicht von dritter Stelle die Beteiligung unter der Hand billig aufkaufen. In normalen Zeiten ist sie ihr Geldschon wert, heute, bin ich überzeugt, kann er froh sein, wenn er zwanzigtausend dafür kriegt – man muß ihn nur lange genug zappeln lassen.«
»Ich wundere mich über Sie«, sagte Karl Siebrecht langsam. »Ich wundere mich sehr über Sie, Bremer. Ihr Vorschlag läuft darauf hinaus, einen unserer Gesellschafter um zwei Drittel seiner Gelder zu bringen.«
»Ich kann die Sache so nicht ansehen.« Bremer war völlig kühl und ungerührt. »Seine Beteiligung ist heute nicht mehr wert, ihr heutiger Handelswert ist zwanzigtausend. Er will Geld, er bekommt diese Zwanzigtausend. Selbstverständlich, wenn er Zeit hat zu warten, kann er auch sechzigtausend erzielen, und wir würden sie ihm zahlen, aber heute? Wir wären ja keine Kaufleute!«
»Unsere Ansichten sind da völlig verschieden, aber es hat keinen Zweck, diese Frage zu diskutieren. Wir haben weder sechzig-noch zwanzigtausend Mark für den Ankauf dieser Beteiligung.«
»Das möchte ich nicht sagen«, antwortete Egon Bremer kühl und sah den Mitdirektor voll an.
»Wie?« fragte Karl Siebrecht überrascht. »Wir haben sie? Erzählen Sie mal, Bremer, auf welchen Gefilden Sie diese Goldgrube entdeckt haben!«
»In unseren Büchern, Siebrecht«, antwortete Bremer, steckte die Hände in die Taschen und stand auf. »Die Sache ist mir verdammt unangenehm, aber einer muß sie Ihnen ja zuerst sagen, Siebrecht! Ihr Vorschußkonto ist fast seit dem Anfang Ihrer Tätigkeit hier mit durchschnittlich dreißigtausend belastet. Augenblicklich beläuft es sich auf etwas über achtundzwanzigtausend. Sie haben dies Geld nun schon fast fünf Jahre zins-und spesenfrei …«
»Das ist allein meine Angelegenheit, Bremer. Sie überschreiten Ihre Befugnisse!«
»Sie irren sich, ich überschreite keine Befugnisse. Dies ist eine Sache der Firma, nicht
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