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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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darüber?«
    »O nein! Er ist ganz begeistert! Aber denke dir …« Und Karl Siebrecht erzählte, was er von diesem Kabarettmädchen, dieser neunzehnjährigen Tänzerin, die durchaus zum Film wollte, wußte. »Natürlich will sie gar nicht zum Film, sie will ihm bloß sein Geld abjagen!«
    »Vielleicht«, sagte Hertha. »Vielleicht auch nicht! Vielleicht liebt sie ihn sogar auf ihre Art und ist stolz auf ihn. Ich kann mir sehr wohl vorstellen, daß gerade ein junges Mädchen sich in Herrn von Senden verliebt.«
    »Aber, Hertha, das alles ist doch ganz abscheulich! Er istdoch ein alter Mann, fast schon ein Greis. So was nennt man, glaube ich, Johannistrieb, und sie nützt das Ganze schamlos aus. Du solltest ihn nur reden hören, wie ein Primaner spricht er!«
    »Ich finde es sehr hübsch, wenn ein sechzigjähriger Mann sich noch wie ein Primaner für Frauen begeistern kann!«
    »Aber sie wird ihn reinlegen! Sie wird ihn unglücklich machen!«
    »Mein Lieber, irgend jemand wird solch einen weisen Spruch bei jeder Ehe, die geschlossen wird, tun. Ich glaube mich zu erinnern, daß es auch bei unserer Ehe an solchen Warnern nicht gefehlt hat.« Sie reichte ihm mit einem Lächeln die Hand.
    Er nahm sie, aber er war nicht besänftigt. »Das Mädchen ist völlig unmöglich, Hertha! Denke dir doch, der Rittmeister, ein Mann von alter Kultur, ein wahrer Kavalier, wie du immer sagst, und dazu ein Tanzmädchen aus einem obskuren Kabarett, das sich nach ihrem Auftritt zu jedem Gast an den Tisch setzt und ihn zum Sekttrinken animiert.«
    »Ich glaube, ich muß heute einmal wieder Karlchen sagen«, antwortete Hertha mit einem Seufzer. »Mein liebes Karlchen – verzeihe, daß ich dich daran erinnere, aber hast du nicht selbst einmal eine unmögliche Ehe geschlossen? Hat dir da jemand hereinreden dürfen? Ach, geh mir doch mit so etwas! Der Herr von Senden ist jetzt glücklich, und das ist viel. Was er in Zukunft sein wird, darüber wollen wir uns nicht die Köpfe zerbrechen, das geht uns auch nichts an!«
    Er hatte den Kopf trotzig erhoben, als sie von seiner Ehe mit Rieke gesprochen hatte. Er wollte ihr sagen, daß es damals etwas ganz anderes gewesen sei. Aber es war jetzt nicht die Zeit, mit ihr zu streiten. So sagte er denn: »Es geht mir wieder einmal so wie früher, Hertha: Ich weiß genau, daß ich recht habe, und doch kannst du jeden meiner Gründe widerlegen. Nur überzeugen mich deine Widerlegungen nicht. Ich habe das Gefühl, daß es meine Pflicht ist als Freund, den Herrn von Senden vor diesem Mädchen zu bewahren, und danach werde ich handeln!«
    »Schön, mein Lieber«, sagte sie freundlich. »Handle nach diesem Gefühl, ich fürchte, du wirst zum Schluß ohne Freund dastehen, und der Rittmeister wird das Mädchen doch geheiratet haben.«
    »Es wird gar nicht zu einer Heirat kommen«, widersprach er. »Wenn sie erst sieht, daß kein Geld bei ihm zu holen ist –«
    Und er berichtete ihr von des Rittmeisters eiliger Geldforderung.
    »Habt ihr wirklich nicht das Geld, ihm seinen Anteil auszubezahlen?« fragte sie dann.
    »Wirklich nicht, Hertha! Wir sind sehr knapp, wir haben schon große Schwierigkeiten beim Auszahlen der Löhne und Gehälter.«
    »Wenn ihr aber das Geld hättet? Würdest du es ihm dann geben?«
    »Ich weiß nicht«, sagte er zögernd. »Ich würde die Auszahlung möglichst hinauszögern. Juristisch kann er das Geld erst in einem Jahr verlangen.«
    »Ach, juristisch! Also sagen wir, Karl, du hättest jetzt die Sechzigtausend in der Tasche – würdest du sie ihm geben oder nicht?«
    »Warum soll ich mir darüber den Kopf zerbrechen? Jawohl, wahrscheinlich würde ich sie ihm geben, obwohl ich ganz verzweifelt darüber wäre. Ich stürze ihn mit dem Geld nur ins Unglück. Das Mädchen würde ihn in sechs Wochen zum Bettler machen!«
    »Was für Redensarten! Kannst du dir Herrn von Senden als Bettler vorstellen?«
    »Er würde es aber sein!«
    »Rede doch keinen Unsinn! Er hätte doch immer noch seine Pension als Offizier! Also, du würdest ihm das Geld geben?«
    »Ich müßte erst das Mädchen sehen«, murmelte er.
    »Aber deine Ansicht über das Mädchen ist gleichgültig! Herr von Senden ist der Besitzer des Geldes, und er kann mit seinem Geld machen, was er will!«
    »Wenn ich einen Menschen sehe, der in einen Abgrund stürzen will, so halte ich ihn fest!«
    »Karlchen! Karlchen! Nun ist dies kleine Tanzmädchen schon ein Abgrund! Sie kann nicht so übermäßig raffiniert sein, wenn sie mit neunzehn

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