Ein Mann will nach oben
Ihre Privatsache mehr. Das war sie vielleicht in Zeiten, wo wir flüssig waren, aber heute, wowir die Gehälter in drei Monatsraten bezahlen, ist es eine rein geschäftliche Angelegenheit.«
»Jedermann hat bei uns noch sein Gehalt bekommen.«
»Wie lange noch? Aber abgesehen davon ist es doch ein untragbarer Zustand, wenn das Privatkonto des Direktors mit achtundzwanzigtausend Mark belastet ist, und wir zahlen einer kleinen Stenotypistin ihr Gehalt von hundertzwanzig Mark, das sie dringend zum Leben braucht, in drei Raten aus. So etwas muß Erbitterung wecken, und das hat es auch schon getan!«
»Es ist auffallend, daß man mir noch kein Wort von dieser Erbitterung gesagt hat, Ihnen aber!«
»Das ist gar nicht auffallend, denn einmal bin ich der Personalchef und nicht Sie, so kommen die Klagen des Personals zuerst an mich. Und dann sind Sie ja nun einmal der Geist Gottes über den Wassern und werden weitgehend mit allem irdischen Kleinkram verschont.« Bremer war vollkommen unbefangen und fast heiter. Er schlenderte, die Hände in den Taschen, im Büro auf und ab und vermied es dabei nicht, seinen Mitdirektor anzuschauen.
»Sie wissen ganz gut«, sagte Karl Siebrecht ruhiger, »daß es sich bei meinem Vorschuß um die Einrichtung der Villa handelt. Ich bin damals etwas üppig gewesen, ich gebe das zu, aber ich hatte nicht mit diesem Rückgang aller Geschäfte gerechnet. Wäre der Umsatz weiter gestiegen, hätte er sich nur gehalten, wäre ich die Schuld längst los.«
»Sie hätten wenigstens einen Teil Ihres Gehaltes zur Schuldentilgung verwenden müssen, Siebrecht!«
»Zum Teufel, ich komme mit meinem Gehalt kaum aus! Können Sie denn das, Bremer?«
»Ich habe seit vier Monaten kein Gehalt mehr erhoben, seit die Klemme akut wurde«, sagte Bremer kühl.
Er wartete einen Augenblick, bis Siebrecht sich von diesem Schlag erholt hatte. Aber er war viel zu klug, sich seinen Sieg anmerken zu lassen, im Gegenteil sagte er fast freundschaftlich: »Siebrecht, Sie haben eine reiche Frau, Sie haben einennoch reicheren Schwiegervater. Es muß für Sie eine Kleinigkeit sein, dieses Vorschußkonto auszugleichen. Sie helfen damit nicht nur sich selbst, Sie helfen doch auch der Firma! Achtundzwanzigtausend Mark – in heutigen Zeiten! Achttausend Mark in die Kasse für die Begleichung der dringendsten Verbindlichkeiten, und zwanzigtausend für den Aufkauf der Sendenschen Beteiligung –«
»Von
dem
Geschäft will ich nichts hören!«
»Aber Sie sollen gar nichts davon hören, ich will das gerne für Sie erledigen. Der Herr von Senden wird nie erfahren, wer seine Beteiligung gekauft hat!«
»Nein! Nein!« sagte Karl Siebrecht und war tief in Gedanken. »So etwas kommt nicht in Frage!«
»Sehen Sie, das meinte ich, als ich vorhin von einer Familiengesellschaft sprach, Siebrecht! Sind wir denn eigentlich ein Verein für den Vorteil Ihrer Freunde und Verwandten, oder sind wir eine Firma, die Geld verdienen will?«
»Jetzt haben Sie aber Ihre Befugnisse überschritten, Bremer!«
»Vielleicht«, gab der ungerührt zu. »Aber wahr bleibt darum doch, daß Herr von Senden uns rein geschäftlich völlig gleichgültig ist, wir haben nicht seinen Vorteil wahrzunehmen, sondern den der Firma. Wahr bleibt auch, daß Ihr Privatkonto ausgeglichen werden muß, Siebrecht. Und wahr bleibt schließlich, daß wir schon seit Monaten mit Herrn Eich wegen einer Vertragsänderung verhandeln müßten und daß Sie diese Verhandlungen immer wieder hinausgeschoben haben.
»Sonst noch etwas, Herr Direktor Bremer –?«
»Aber nein, im Augenblick nicht das geringste! Seien Sie nur nicht beleidigt, Siebrecht. Ich weiß, Sie haben keine Vorliebe für mich, Sie haben mich zu irgend jemand sogar eine kalte Hundeschnauze genannt. Aber ich wünsche Ihnen ein bißchen von dieser Hundeschnäuzigkeit! Sie sind zu empfindlich! Ich bin einfach ein Geschäftsmann, und als solcher habe ich mir gesagt, du mußt zum Vorteil der Firma einmal mit Siebrecht über all diese Dinge reden. Wenn Sie sich dieSache einmal in Ruhe überlegen, ohne Beleidigtsein, werden Sie finden, daß ich recht habe.« Er sah Karl Siebrecht kühl, aber lächelnd an, machte dann eine ganz kleine Verbeugung und war aus dem Zimmer.
109. Beim Anwalt Lange
Rechtsanwalt Lange, kleiner und blasser denn je, begrüßte Karl Siebrecht mit einem schweren Seufzer. »Denken Sie, nun haben auch Bassermann und Kladow ihre Zahlungen eingestellt! Solch alte, angesehene Firma! Völlig überraschend!
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