Ein Mann will nach oben
Jahren noch in einem obskuren Kabarett sitzt!«
»Worüber reden wir eigentlich?« fragte er etwas verwirrt. »Ich habe nur gesagt, daß ich Herrn von Senden als Freund von dieser wahnsinnigen Ehe zurückhalten will!«
»Um das mit gutem Gewissen tun zu können, mußt du ihm zuerst sein Geld geben! Sonst wird er immer denken, du rätst ihm nur darum ab, um sein Geld zu behalten.«
»Aber ich kann ihm das Geld nicht geben, Hertha, ich habe es dir schon gesagt!«
»Doch, du kannst es. Ich werde dir nämlich das Geld für ihn geben.«
Einen Augenblick schwieg er atemlos. Dann sagte er verwirrt: »Aber warum denn, Hertha? Sage mir um alles in der Welt, warum denn? Warum willst du das tun? Ich sehe keinen vernünftigen Grund.«
»Nach deiner Ansicht ist es auch kein vernünftiger Grund, Karl. Ich finde, der Rittmeister kann tun, was er will, wir haben kein Recht, uns einzumischen. So tue ich alles, um diese Heirat zu ermöglichen.«
»Also bloß, weil ich …«
»Nein, nicht bloß, weil du! Wir sind doch keine Feinde, Karl!« Wieder nahm sie seine Hand. »Wir sind nur manchmal zwei Menschen, die sich sehr wenig verstehen. Dann muß jeder den anderen seinen Weg gehen lassen. Ich mag den Herrn von Senden auf meine Art sehr gern, und ich möchte ihm gern in dieser Sache helfen. Laß du mich meinen Weg gehen, ich hindere dich nicht an deinem.«
»Hertha, der Rittmeister will uns beide heute abend abholen und will uns dies Mädchen zeigen – in jenem kleinen Kabarett! Schieb wenigstens deinen Entschluß so lange auf, bis du das Mädchen gesehen hast!«
»Aber verstehst du denn noch immer nicht, Karl, daß es völlig belanglos ist, wie dies Mädchen aussieht? Ich würde sie weder so schön noch so begabt finden wie der Rittmeister, denn ich liebe sie ja nicht. Aber er liebt sie – und das ist entscheidend.«
»Du wirst also heute abend nicht mitkommen, Hertha?«
»Nein, ich werde schon darum nicht mitkommen, weil ich mein Urteil nicht durch persönliche Sympathien oder Antipathien beeinflussen will.«
»Und du wirst ihm wirklich das Geld geben?«
»Du wirst es ihm geben!«
Er ging eine Weile unruhig auf und ab. »Ich bin wieder einmal ganz hilflos«, sagte er und versuchte zu lächeln.
»Das geht vorbei. Du hilfst dir immer wieder ziemlich schnell, nicht wahr, Karl? – Ich werde nachher mit Vater telefonieren, und wenn Deckung da ist, schicke ich dir den Scheck noch heute abend herunter.«
Er ging von ihr, und erst, als er sich in einen Sessel in der Halle setzte, erinnerte ihn das Knistern in seiner Brusttasche an den Kaufvertrag. Er hatte ihn vollkommen vergessen. Aber jetzt war es natürlich ganz unmöglich, noch einmal zu ihr zu gehen und auch dies Geschäft mit ihr zu besprechen. Das hatte er gründlich verpaßt. Dieser verdammte Rittmeister mit seiner Heiraterei! Schließlich ging er ans Telefon und verlangte Fräulein Gollmer zu sprechen.
»Sind Sie da, Fräulein Ilse? – Erinnern Sie sich noch, Sie wollten vor ein paar Tagen gern, daß ich mit Ihnen in eine Bar ging. Sind Sie heute abend noch frei?«
»Sind Sie das wirklich, Siebrecht? Ich kann es kaum glauben! Sie wachen also auf?«
»Leider ist jemand anders aufgewacht, unser gemeinschaftlicher Freund nämlich, der Herr von Senden. Er beabsichtigt zu heiraten.«
»Was, der Onkel Bodo? Das ist doch wohl nicht möglich!«
»Das sage ich auch! Er will uns heute seine Braut vorführen, sie ist nämlich Tänzerin in einem Kabarett!«
»Ich finde das geradezu phantastisch!«
»Wollen Sie mich begleiten? Offen gestanden graule ich mich etwas davor.«
»Ich mich gar nicht! Brennend gerne komme ich mit! Wann soll es denn sein?«
»Wir werden Sie kurz nach neun abholen, Herr von Senden und ich. Also schön, Fräulein Ilse, ich bin Ihnen sehr dankbar …«
»Und ich Ihnen erst! Das ist ja eine Sensation! Schade, daß mein Vater gerade verreist ist …«
Als Karl Siebrecht sich zum Abendessen hinsetzte, lag neben seinem Teller ein Briefumschlag. Er öffnete ihn und fand einen Scheck darin. Einen offenen Scheck über sechzigtausend Reichsmark, an den Überbringer zahlbar.
111. In der Weißen Maus
»Ich finde dich einfach bezaubernd, Onkel Bodo!« hatte Ilse Gollmer gesagt und damit vom ersten Anfang an ihren Standpunkt in dieser Angelegenheit klargelegt.
Karl Siebrecht blieb allein, und während er seinen Wagen, der schon lange kein Laubfrosch mehr war, in die Innenstadt lenkte, während er die beiden hinter sich vergnügt schwatzen und lachen
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