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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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also gewesen?« fragte der. – Der Junge sagte es, so gut es in vier, fünf Sätzen ging. – »Und so hast du denn«, meinte der Rittmeister von Senden, »dein Herz für die Armen und Elenden, als da sind Trockenmieter, erst entdeckt, seit du selbst arm und elend bist. Findest du das nicht komisch?«
    »Nein«, sagte der Junge böse. »Bei uns zu Haus gibt es so was nicht! Ich finde das gar nicht komisch.«
    »Oh! Oh! Oh!« rief der Rittmeister zweiflerisch. »Du hast also im Himmel gelebt?! Bei euch gab’s keine Ortsarmen? Und nicht den bekannten Stadttrottel, den die lieben Bürger in vorgerückter Stunde besoffen machten und in den Stadtteich stießen? Wirklich nicht –?«
    In dem Jungen tauchte blitzartig das Bild des langen Ludwig auf, wie ihn alle nannten, eines mit der Fallsucht behafteten Armen. War er nicht selbst hinter dem Betrunkenen als Junge hergelaufen und hatte gedankenlos mit den anderen den Vers gegrölt: Der lange Ludewig
    Find seine Bude nich!
    Linksrum! Rechtsrum!
    Marsch! Arsch!

    »Du bist ja so stille, mein Sohn Karl?« fragte der Rittmeister nach einer langen Weile.
    »Ja«, sagte der Junge leise. »Sie haben ganz recht. Wir haben so etwas auch bei uns, und ich habe sogar beim Verhöhnen mitgemacht!«
    »Deswegen brauchst du dich nicht zu schämen«, sagte der Rittmeister freundlich. »Es ist nun einmal eine komische Tatsache, daß wir Menschen erst daran denken, wie schlecht es einem gehen kann, wenn es uns selber schlecht geht.«
    »Aber Ihnen ist es doch bestimmt nicht schlecht gegangen!« sagte der Junge überzeugt und dachte an die dufterfüllte Küche, die schöne Dame mit den Pleureusen in dem strahlenden Eßzimmer, dachte an den Gänsebraten und sah hinein in den rötlich strahlenden Kamin. »Und Sie wissen doch, wie schlecht es einem gehen kann!«
    »Meinst du?« fragte der Rittmeister nachdenklich. Und plötzlich lachend: »Sag doch, wie hat dir mein Schwager, der Herr Kalubrigkeit, gefallen?«
    »Ach, mit dem haben Sie doch gar nichts zu tun!«
    »Irrtum, mein Sohn! Mit dem baue ich nämlich zusammen die Häuser, wir sind Kompagnons. Er leistet die Arbeit, und ich verdiene Geld dabei.«
    »Ich mag nicht, daß Sie so reden«, sagte der Junge nach einer Weile. »Entweder ekelt Sie das alles an, dann sollten Sie es hinschmeißen und nicht davon reden, oder Sie tun’s um des Geldes willen, dann – gehe ich lieber!« Er stand auf. Der Magen hatte das Knurren vergessen, er wußte auch nicht mehr, warum er hierhergegangen war, zu diesem Mann, der so vornehm durch die Nase säuselte.
    »Ach, wie einfach ist doch das Leben in deinen Jahren!« rief der Herr von Senden. »Immer entweder oder! Entweder wird den Trockenmietern geholfen, oder ich werde arbeitslos! Setze dich wieder. Übrigens ist deinen Trockenmietern geholfen.«
    »Ja?« fragte der Junge und setzte sich widerstrebend, aber hiervon wollte er doch noch hören.
    »Soweit es noch möglich war. Sie hat einen Blutsturz gehabtund ist im Krankenhaus. Und er ist irgendwo trocken und warm untergebracht. Siehst du, so was kann ich nun doch tun, wenn’s mich auch anekelt, wie du sagst.«
    »Was ekelt Sie an? Das Tun?«
    »Alles!«
    »Was alles –?«
    »Das ganze Leben!«
    »Das ganze Leben?! Warum leben Sie dann noch?!« rief der Junge.
    »Vielleicht wegen so einer Unterhaltung wie jetzt. Glaubst du, ich war immer so? Ich war auch mal so wie du!«
    »Und warum sind Sie so geworden? Wie wird man so?«
    »Was willst du werden?«
    Der Junge schwankte einen Augenblick. Dann richtete er sich auf und sagte: »Ich will Berlin erobern!«
    »Dann«, sagte der Rittmeister und richtete sich auch auf, »dann bist du auf dem besten Wege, das zu werden, was ich geworden bin!«
    »Nie!« sagte der Junge. »Ich nie!«
    »Doch! Dann immer!« widersprach der Rittmeister.
    Der Junge rief: »Ich lasse mir keine Angst machen!«
    Und der Herr von Senden: »Bin ich so, daß man Angst vor mir haben muß?«
    Und wieder Karl Siebrecht: »Nie werde ich so werden, wie Sie sind!«
    »Und wie bin ich, mein Sohn?«
    »Zynisch sind Sie! Angeekelt sind Sie! Sie zweifeln an allem und glauben an gar nichts! Sie lachen über alles, und am schlimmsten finde ich, daß Sie über sich selbst lachen!«
    »Einen Augenblick, mein Sohn Karl!« sagte der Rittmeister fast lebhaft, nahm die Füße in veilchenblauen Socken vom Kamingitter und hängte sie über die Seitenlehne des Sessels, so daß er dem Jungen das Gesicht nun voll zuwendete. »Eine Frage nur, Karl Siebrecht! Was

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