Ein Mann will nach oben
soll das etwa weitergehen?«
»Das weiß ich nicht. Das wird sich schon finden. Erst mal möchte ich Chauffeur sein.«
»Nun gut«, sagte der Rittmeister. »Ich finde zwar diese Automobile unausstehlich. Sie machen Krach und stinken. Sie sind unfein – nur Pferde sind wirklich fein. Aber da auch der Kaiser darin fährt – meinetwegen! Also, mein Sohn, wir werden beide morgen früh ein erstklassiges Auto erstehen, und du wirst mein Chauffeur werden.«
»Wie?« fragte der Junge. »Sie wollen wirklich?«
»Ganz wirklich!«
»Aber ein wirklich gutes Auto kostet einen Haufen Geld – über zehntausend Mark!«
»Darum mach dir keine Sorgen. Das Geld wird da sein. Einverstanden, Karl Siebrecht?« Und er streckte ihm die lange weiße, mit den vielen Ringen geschmückte Hand hin.
Dem Jungen war wie ein Traum. Was er sich sehnlichst gewünscht hatte, hier wurde es ihm am ersten Tag seines Berliner Aufenthaltes angeboten! Über jede Erwartung leicht! Aber, warnte es in ihm, das Leben durfte nicht wie ein Traum sein. Die gebratenen Hühner, die einem in den Mund fliegen, schmecken nicht wie die, die man sich erst erkämpft hat. Und überhaupt – was wollte dieser Mann? Er wollte sich seine Langeweile vertreiben, auf Geld kam es ihm nicht an! Er würde amüsiert zuschauen, wie sich dieser Jüngling Karl Siebrecht abstrampelte, und bei jedem Fehlschlag, bei jeder Enttäuschung würde er sagen oder doch denken: Ich habe es mir doch gleich gedacht! Wozu sich erst Mühe geben? Im gleichenAugenblick fiel dem Jungen die Rieke Busch ein. Die zweifelte weiß Gott nicht an sich, die hatte keine Zeit zur Langeweile. Die erlebte alle Tage Enttäuschungen und Fehlschläge, die fraß sie ohne weise Sprüche herunter, die arbeitete weiter. Und plötzlich hatte der Junge die unklare Vorstellung, als lägen da zwei Wege vor ihm und als müsse er bindend für sein ganzes weiteres Leben entscheiden, welchen Weg er gehen wolle: den glatten, bequemen, breiten Weg, auf dem der Herr von Senden sein Führer sein würde, oder den holprigen Pfad, auf dem Rieke Busch neben ihm ging, diesen Pfad, der sich sofort in Dickicht und Dunkel verlor … Noch unklarer hatte der Junge etwas vor sich wie einen dritten Weg, er wollte an Erika Wedekind denken, aber schon hörte er sich zu seiner eigenen Überraschung laut sagen: »Nein, danke, Herr Rittmeister. Ich möchte mir lieber allein helfen!«
Er hörte den Rittmeister leise lachen. »Das habe ich mir beinahe gedacht, mein Sohn Karl«, sagte er höchst zufrieden. »Du hättest mich enttäuscht, wenn du dich anders entschieden hättest. – Aber was machen wir jetzt?«
»Jetzt?« fragte Karl Siebrecht. »Jetzt gehe ich nach Haus, und morgen versuche ich mein Heil anderswo.«
»Wieder auf einer Baustelle?«
»Das weiß ich noch nicht.«
»Oder irgendwas im Autofach?«
»Vielleicht. Aber ich will mir nicht von Ihnen helfen lassen!«
»Das sollst du auch gar nicht! – Sage mal, du hast mir doch gesagt, du bist der Sohn von einem Baumeister …«
»Ja, aber …«
»Da kannst du doch sicher mit Reißschiene und Zirkel umgehen?«
»Ja, aber …«
»Und bestimmt kannst du auch Pausen von Bauzeichnungen machen?«
»Ja doch! Aber …«
»Was würdest du dazu sagen, wenn du für den Anfang ersteinmal auf dem technischen Büro von meinem Schwager Kalubrigkeit arbeiten würdest? Bloß so lange, bis du ein wenig in Berlin warm geworden bist? Du kannst dich ja dabei unter der Hand immer nach etwas anderem umsehen?«
Der Junge grinste. »Herr Kalubrigkeit würde mich wohl denselben Augenblick rausschmeißen, wo er mich zu sehen kriegte!«
»Dich zu sehen? Aber mein Schwager kommt nie auf sein technisches Büro! Glaubst du, das interessiert ihn? Kalubrigkeit ist doch kein Baumeister, Kalubrigkeit ist doch ein Bauunternehmer, den interessiert bloß Geld! Jawohl, er läßt sich mal auf dem Bau sehen, aber von der Bauerei versteht er gar nichts, er will nur Geld sparen, davon versteht er was! Nein, der Kalubrigkeit würde dich nie zu sehen kriegen, nach menschlichem Ermessen nie!«
»Ich möchte nicht gern …« sagte der Junge zögernd.
»Sei doch kein Schaf, mein Sohn!« ermahnte ihn der Rittmeister milde. »Jetzt lehnst du doch nur ab, weil der Vorschlag von mir kommt. Aber ich sage dir, du bist mir zu gar nichts verpflichtet. Dein Feingefühl kann beruhigt sein. Ich weiß, sie haben augenblicklich irrsinnig zu tun auf dem Büro, sie planen eine riesige Geschichte im Bayrischen Viertel – weißt du,
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