Ein Mann will nach oben
nicht! Wie stünden Sie vor dem Rittmeister und Ihrer Freundin da!«
Und wie stünde ich erst vor Hertha da! dachte er. Nein, ich kann ihn wirklich nicht zerreißen.
Gerade rief der Herr von Senden: »Maria, du übertreibst deine Dankbarkeit!«
»Geben Sie jetzt den Scheck –« flüsterte Ilse Gollmer und gab ihm das Blatt in die Hand. »Schnell, ehe Sie es sich anders überlegen!«
Einen Augenblick sah er, noch immer zweifelnd, auf die Zahl. Sechzigtausend las er. Und mein ungedeckter Vorschuß? schoß es ihm durch den Kopf. Und erst da, in dieser Sekunde, wurde ihm klar, daß er immer, seit er diesen Scheck besaß, mit dem Gedanken gespielt hatte, seinen Vorschuß mit ihm zu decken und den Rest der Sendenschen Forderung billig zu kaufen! Er atmete auf, als sei er einer schweren Gefahr entronnen. »Ich danke dir, Ilse –« flüsterte er. Er reichte dem Rittmeister den Scheck über den Tisch fort. »Hier, Herr von Senden, ich bin froh, daß ich das noch regeln konnte. Man sollte wirklich keine Geldgeschäfte unter Freunden machen …« Der Rittmeister sah ihn verwundert und befremdet an. Aber Karl Siebrecht hatte schon sein Glas erhoben. »Und nun trinke ich auf das Wohl von Maria Molina!« rief er. »Auf ihren Erfolg! Auf ihr Glück! Auf eine gute Ehe! Maria Molina soll leben!« Sie stießen an, sie sahen sich an. Kalt und böse blickten die Augen der Molina auf ihn. Aber er war ihr nicht mehr böse. Ich bin einer schweren Gefahr entgangen, dachte er wieder. »Ich danke dir, Ilse –« flüsterte er wieder. »Du hast mich gerettet!«
»Ich verstehe Sie jetzt wirklich nicht, Siebrecht!« antwortete sie ein wenig ärgerlich. »Was hatten Sie mit der Molina? Ich glaube kein Wort von der Panne!«
»Nachher!« sagte er. »Alles nachher!« Er hatte sein Glas wieder ausgetrunken und füllte es von neuem. »Und jetzt wollen wir Brüderschaft trinken, Ilse Gollmer«, sagte er. »Auf du und du! Bitte, sagen Sie ja. Bitte!«
»Wenn Sie mir alles sagen!«
»Alles?«
»Jawohl, einfach alles. Auch die Geschichte, wie Sie Ihre Frau kennenlernten!«
»Ich glaube, das darf ich wirklich nicht, Ilse!«
»Jetzt sage ich: alles oder nichts!«
»Aber warum denn, Ilse? Es ist eine ganz belanglose Geschichte, die nur Hertha und mich angeht.«
»Ich will Sie eben ganz kennenlernen!«
»Warum wollen Sie denn das?«
Sie sah ihn an, sie sah ihn so deutlich und unverhüllt an. Er senkte den Blick. »Ja oder nein?« fragte Ilse Gollmer.
»Ja«, flüsterte er.
»Also, auf du und du!« sagte Ilse Gollmer, »und auf Waffenbrüderschaft in guten und schlimmen Tagen!«
Sie schlangen die Arme ineinander, er trank aus ihrem, sie aus seinem Glas. »Keinen Tropfen!« sagte er und neigte sein Glas zur Erde.
»Keinen Tropfen!« sagte auch sie.
»Und nun müssen wir uns küssen!« Ganz leicht fühlte er ihre Lippen.
»Gut, gut!« sagte der Rittmeister beifällig. »Ihr seid ja nun schon alte Freunde. Ihr müßt euch doch mindestens zehn Jahre kennen!«
»Siebzehn Jahre!« rief Ilse Gollmer. »Genau siebzehn, und die Siebzehn ist immer meine Glückszahl gewesen. Aber nun sieh, daß wir noch etwas zu essen bekommen, Onkel Bodo. Es ist zwar schon ein wenig spät, aber ich habe Hunger, und Siebrecht muß etwas essen, er trinkt zuviel und zu hastig! Das kann nicht gutgehen!«
Aber vorläufig ging alles gut. Sie bekamen noch zu essen, und nachdem sie gegessen hatten, tranken sie weiter. Alle warenin ein immer schnelleres Trinken geraten, es war, als wollten sie etwas Drohendes verscheuchen, einschüchtern. Maria hatte viel zu fragen, sie war so unwissend. Sie wollte alles über solch einen hohen Scheck erfahren, ob er unter allen Umständen galt, ob er widerrufen werden konnte. Und erst als sie über all diese Punkte ganz sicher war, erhob sie plötzlich ihre Stimme: »Glaubst du, ich habe Angst? Ich habe vor keinem Angst, auch nicht vor deinem Freund da! Denkst du etwa, ich lasse mir von dem etwas gefallen? Aber gar nichts! Ich sage ihm genau, was ich von ihm halte, vor allen Leuten, meinethalben auch vor seiner Frau, jedenfalls aber vor seiner geliebten Freundin …«
»Ich bitte dich, Maria, was ist nur plötzlich in dich gefahren! Suchst du Streit? Du hast zuviel getrunken, Kind! Eben hast du noch gesehen, wie anständig er sich benommen hat!«
»Der und anständig? Jetzt werde ich ihm ins Gesicht sagen, was ich von seiner Anständigkeit halte! – Hören Sie mal, Herr Siebrecht, wenn Sie sich einen Augenblick von Ihrer Freundin
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