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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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anrufen.«
    »Ich kann Hertha immer anrufen. Sie muß den Scheck sperren!«
    »In der Nacht kann man keinen Scheck sperren. Um diese Zeit ist niemand auf den Banken. Das hat Zeit bis morgen früh.«
    »Meinst du?« fragte er zweifelnd.
    »Natürlich«, sagte sie. Nun schwiegen sie wieder, bis der Kellner den Wein brachte. Stumm sah er zu, wie sie einschenkte. Hastig trank er, ohne auf sie zu achten. Dann füllte er sein Glas von neuem, aber er trank nicht. Er starrte schweigend vor sich hin …
    Schon hoffte Ilse Gollmer, er habe seine Idee mit dem Telefonieren vergessen, sie könne ihm vorschlagen, nach Haus zu fahren, da stand er auf: »Jetzt telefoniere ich …«
    »Du vergißt, Karl, man kann einen Scheck nicht mitten in der Nacht sperren. Das hat Zeit bis morgen früh – wir hatten es so besprochen.«
    »Ja«, sagte er. »Ich werde es ihr sagen.«
    Sie gab es auf. »Also telefoniere, Karl!« Sie stellte es sich vor, wie er da mitten in der Nacht Hertha aufscheuchte und mit seinem wirren Geschwätz erschreckte. Sie versuchte, sich auszumalen, wie Hertha das aufnehmen würde, und einen Augenblick dachte sie, es sei vielleicht gar nicht so schlecht, wenn er jetzt telefonierte. Hertha war eine sehr empfindliche Frau. Sie dachte: Nie hätte ich geglaubt, daß es soweit mit mir kommen würde …
    Er kam zurück, unsicher im Gang, er stieß gegen einen Stuhl und sah den Stuhl zornig an. Dann gab er ihm einen Tritt. Er lachte in sich hinein, als er weiterging. »Nun?« fragte sie.
    »Da meldet sich keiner«, antwortete er. »Morgen schmeißich die ganze Bande raus. Mal ruf ich an, und gleich meldet sich keiner.« Er versank in mürrisches Schweigen.
    »Wollen wir jetzt nicht nach Haus fahren?« schlug sie vor.
    »Wie –?« fragte er.
    »Ob wir nicht nach Haus fahren wollen?«
    »Ja – sobald wir ausgetrunken haben.« Aber er trank nicht, er saß nur da, entweder grübelte er oder war benommen vom Alkohol. Sie entschloß sich und trank hastig die Flasche leer. Die Welt fing an, auch ihr in einem anderen Licht zu erscheinen, sie hätte immerzu lachen mögen, über all diese Albernheiten, dies sinnlose Gezappel … Aber sie bezwang sich, immer wieder zwang sie sich zum klaren Denken. Ich muß ihn heil von hier fortkriegen, dachte sie. Heute sind schon genug Dummheiten gemacht worden. »Die Flasche ist leer, Karl«, sagte sie. »Wollen wir jetzt nach Haus fahren?«
    »Ja.« Er stand sofort auf. »Ich will jetzt nach Haus fahren. Ich muß sofort mit Hertha reden.«
    »Warum willst du denn sofort mit Hertha reden?« fragte sie geduldig.
    »Sie muß den Scheck doch sperren! Ich weiß nicht, was mit mir ist, ich vergesse das immer wieder!«
    Draußen, in der frischen Luft, fing er an zu lachen, es amüsierte ihn, daß er nicht mehr gerade gehen konnte. Er versuchte, die Linie der Pflastersteine entlangzugehen, aber daran war kein Gedanke mehr. Er rief lachend: »Ich kann nicht mehr auf dem Strich gehen, Ilse! Sieh dir das einmal an! Ist das nicht komisch?« Sie hatte gehofft, daß er seinen Wagen vergessen haben würde, daß sie in einem Taxi nach Haus fahren könnten. Aber plötzlich entdeckte er sein Auto, er begrüßte es in überströmender Freude wie einen lang entbehrten Freund. »Jetzt fahren wir beide nach Haus!« verkündete er frohlockend. »Ich koche uns einen schönen Kaffee, und dann gehen wir zu Hertha hinauf und erzählen ihr alles.« Sie hütete sich wohl, ihn zu fragen, was er in diesem Zustand unter »alles« verstand, aber sie sah ein, daß sie ihn jetzt nicht allein lassen konnte. Es gelang ihm, den Wagen in Gang zubringen, aber sofort fuhr er mit den gleichen Schwankungen, in denen er vorher gegangen war.
    »Halte an!« bat sie. »Du kannst nicht mehr fahren. Es ist besser, wir fahren in einem Taxi nach Haus.«
    »Ich kann nicht mehr fahren«, bestätigte er ganz verblüfft. »Bitte, faß du ins Steuerrad und bring den Wagen an die Bordschwelle. Bremsen kann ich noch.« Ein letzter Rest von seinem alten Fahrergewissen war erwacht, er stieg gehorsam aus. »Schade!« sagte er und sah den Wagen bedauernd an.
    Sie nahm seinen Arm. »Komm, wir gehen das Stückchen bis zur Jägerstraße, da finden wir noch Taxis.« – Willig ging er neben ihr. Er schwankte kaum noch, er lachte nicht mehr, er schien über etwas zu grübeln. »Woran denkst du?« fragte sie.
    »Ach, an nichts. Komm, laß uns an der Weißen Maus vorbeigehen. Ich möchte sehen, ob die noch Licht haben.«
    »Ach, kein Gedanke!« sagte sie, etwas

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