Ein Mann will nach oben
antwortete Karl Siebrecht. Sein Ausverkauf zu jedem Preis hatte begonnen. Es war kein erheblicher Abstrich von seinem Vorschußkonto, aber die nächste Löhnung und mehr als sie war gesichert. Vor allem stand er nicht mit leeren Händen vor diesem Herrn Bremer.
Als Karl Siebrecht wieder auf die Straße trat, sah er noch, wie sein Wagen, sein geliebter Wagen, in der Durchfahrt verschwand. Er würde ihn sehr vermissen. Seit er aus der Kriegsgefangenschaft zurückgekommen war, hatte er fast jeden Tag am Steuer eines Autos gesessen, nun war er wieder ein Fußgänger geworden wie in seinen ersten Anfängen. Er würde sich nur schwer daran gewöhnen. Er ging auf die Bank und löste den Scheck ein.
117. Bremer geht in Urlaub
Er war nun doch noch auf das Büro gekommen, er sah flüchtig die Post durch, dann traten Herr Körnig und Herr Bremer ein, die er hatte rufen lassen. »Herr Körnig«, sagte er freundlich. »Hier ist Geld, dreitausendzweihundert Mark, die ich zugunsten meines Privatkontos einzahle. Ich hoffe, das hilft Ihnen über die Löhnungen morgen fort.«
Herrn Körnigs kummervolle Miene erhellte sich. »Ich freue mich«, sagte er, indem er sich daranmachte, das Geld nachzuzählen. »Es war sehr liebenswürdig von Ihnen, daran zu denken, Herr Direktor. Ich machte mir schon Sorgen.«
»Ich werde versuchen«, meinte Karl Siebrecht, »zum nächsten Lohntag einen ähnlichen Betrag einzuzahlen. Ich fange in einer etwas schwierigen Zeit mit dem Ausgleich meinesKontos an, gleichviel, man soll mich nicht umsonst gemahnt haben.« Er sah mit einem halben Lächeln auf den Direktor Bremer, der mit kühler Miene dem Nachzählen des Geldes zuschaute.
»Niemand mahnt Sie!« versicherte Herr Körnig eifrig. »Wer denkt daran! Aber es war sehr liebenswürdig …«
»Etwas anderes«, sagte Karl Siebrecht. »Meine Frau hat sich entschlossen, den Sendenschen Anteil an der Firma zu erwerben. Die geldliche Seite der Angelegenheit ist bereits geregelt. Ein Scheck über den fraglichen Betrag befindet sich in den Händen Herrn von Sendens.«
Wenn Herr Direktor Bremer von dieser Mitteilung enttäuscht war, so ließ er sich nichts davon merken. »Wenn ich mir eine Frage erlauben darf, Siebrecht, ist die Beteiligung zum Nennwert erworben worden, oder hat Herr von Senden einige Konzessionen machen müssen?«
»Zum Nennwert selbstverständlich!«
Jetzt lächelte Bremer. »Ich glaube«, sagte er langsam und schien dabei jedes Wort genau zu überlegen, »ich hätte Ihrer Frau Gemahlin diese Beteiligung wesentlich billiger verschafft.«
»Ich zweifle nicht daran«, antwortete Karl Siebrecht. »Ihr Vorschlag ist vorgetragen worden, er wurde aber abgelehnt.«
»Natürlich!« lächelte Bremer. »Da Sie ihn vortrugen, Siebrecht!«
»Ich möchte nun«, sagte Siebrecht schärfer, »daß Sie sich über Lange & Messerschmidt mit Herrn von Senden in Verbindung setzen und dafür sorgen, daß die Abtretung der Beteiligung möglichst sofort ausgefertigt wird!«
»Ich –?« fragte Bremer erstaunt. »Sie hatten sich dieses Geschäft ausdrücklich vorbehalten, Siebrecht, gestern erst!«
»Und heute möchte ich, daß Sie die abschließende Verhandlung führen, Bremer.«
»Bedaure«, sagte Direktor Bremer, »ich muß ablehnen.«
»Sie weigern sich?«
»Ich befolge nur Ihre Anordnungen – von gestern.«
Die beiden betrachteten sich einen Augenblick schweigend.
»Es ist gut, Bremer«, sagte Siebrecht dann. »Die Sache ist für mich erledigt. Herr Körnig, Sie werden so freundlich sein, die Verhandlung zu übernehmen?«
»Aber selbstverständlich! Aber mit dem größten Vergnügen! Ich werde mich sofort mit Lange & Messerschmidt in Verbindung setzen, Herr Direktor!«
»Ich danke Ihnen, Herr Körnig! Noch etwas anderes: ich habe mich entschlossen, da in absehbarer Zeit nicht mit einer Belebung des Arbeitsmarktes zu rechnen ist, die stillgelegten Wagen der Firma sofort zu verkaufen – zu dem Preis, der heute eben zu erzielen ist, aber nur gegen bar.«
Einen Augenblick schwiegen alle. Dann sagte Direktor Bremer: »Ich muß widersprechen.«
»Und warum, Herr Direktor Bremer?«
»Im Interesse der Gesellschafter.«
»Kein Gesellschafter hat Sie mit der Vertretung seiner Interessen betraut!«
»Dann im Interesse der Firma. Ein Verkauf zu den heutigen Schleuderpreisen würde das Vermögen der Firma schädigen.«
»Und wenn wir die Zahlungen wegen Mangels an Mitteln einstellen, verlieren wir alles.«
»Ehe es soweit kommt, muß das
Weitere Kostenlose Bücher