Ein Mann will nach oben
ungeduldig über diese neue Marotte des Trunkenen. »Es ist längst Polizeistunde. Der Ober eben hat uns doch auch erst aufschließen müssen.«
»Ich möchte es sehen«, antwortete er hartnäckig. »Wenn man klopft, kommt man meist noch hinein. Ich weiß das von früher, als ich noch Taxi fuhr.«
»Was willst du denn in der Weißen Maus?« rief sie. »Wir sind doch wahrhaftig lange genug unterwegs gewesen. Wir müssen nach Haus!«
»Ich will nur mal reinsehen!« sagte er hartnäckig.
Sie standen vor dem Lokal, die Leuchtreklame war erloschen, die Türen verschlossen. »Du siehst«, sagte sie, jetzt wirklich ungeduldig, »es ist zu. Laß uns jetzt nach Haus fahren.«
»Horch!« Er hob den Finger. »Wenn du genau hinhörst, kannst du die Musik drin spielen hören.«
Sie horchte, und auch ihr war es beinah so, als hörte sie den Strich von Geigen, fein und fern. »Und wenn sie auch spielen!« rief sie ungeduldig. »Ich möchte jetzt nach Haus!«
»Erinnerst du dich, Ilse?« fragte er und faßte ihre Hand. »Daß du mich heute viele Male nach etwas gefragt hast?«
»Wir wollen gehen! Bitte, laß uns jetzt nach Haus gehen.«
»Ilse –« flüsterte er. »Aus diesem Lokal habe ich Hertha nach Haus gefahren. Ich war Taxichauffeur und sah sie zum ersten Mal …«
»Erzähle jetzt nichts!« bat sie und versuchte, ihre Hand zu befreien. »Morgen wirst du jedes Wort bereuen, das du jetzt sagst.«
»Sie war völlig betrunken«, fuhr er fort, als habe er nichts gehört. »Sie fiel in meinen Wagen, sie wußte von nichts. Ich brachte sie in ihre Wohnung und –«
»Ich will nichts mehr hören!« rief sie und riß an seiner Hand.
»Nein«, fuhr er hartnäckig fort, »in jener Nacht geschah nichts, aber so haben Hertha und ich uns kennengelernt. Und nun möchte ich, daß wir jetzt noch einmal hineingehen, wir beide, verstehst du, und ich möchte, daß du mich so nach Haus fährst, wie ich Hertha nach Haus gefahren habe, und dann hoffe ich –«
Aber nun war es ihr gelungen, die Hand zu befreien. Bleich starrte sie ihn an. »Nie!« sagte sie. »Nie …« Und sie ging von ihm fort, erst langsam. Aber je weiter sie sich von ihm entfernte, um so schneller lief sie. Es sah lächerlich aus, so schnell lief sie schließlich von ihm fort. Er starrte ihr nach, bis sie um die Ecke in der Friedrichstraße verschwunden war. Dann stieg er mit einem Achselzucken die Stufen zu der Tür der Weißen Maus empor und fing an, zu klopfen. Es wurde ihm noch geöffnet.
116. Suche nach Geld
Er wußte nicht, wie er nach Hause gekommen war. Er wußte nicht, wann er nach Hause gekommen war. Er hatte eine Erinnerung, daß er in Herthas Zimmer gestanden hatte, da war es schon ganz hell. Er sah Hertha, wie sie ihn, den Kopf in die Hand gestützt, aufmerksam betrachtete. Er hoffte, er hatte nicht auch noch geredet, aber er wußte es nicht. Dann erwachteer gegen Mittag in seinem Bett. Er versuchte, sich einzureden, daß dieser Besuch in Herthas Schlafzimmer nur ein Traum gewesen sei, einer von den vielen schweren Träumen jener Nacht. Er aß ein wenig, allein in dem großen Speisezimmer, und telefonierte mit Körnig: es lag doch wohl nichts Besonderes vor? – Nein, nichts Besonderes – der Herr Direktor kam doch heute nachmittag noch herein? »Nein, kaum. Ich fühle mich nicht ganz wohl. Also dann auf Wiedersehen morgen, Herr Körnig.«
»Und recht gute Besserung, Herr Direktor!«
Jawohl, gute Besserung! Er fühlte sich weiter denn je von guter Besserung entfernt, er würde zu tun haben, nur den Stand von gestern wieder zu erreichen!
Er ging in die Garage und blieb verwundert stehen: die Garage war leer. Einen Augenblick dachte er, Hertha sei mit seinem Wagen fortgefahren, dann erinnerte er sich … O Gott, all dieser verfluchte Kram, der ihn an die unselige Nacht erinnerte!
Mit der Schnellbahn fuhr er in die Stadt. Vor der Tür der kleinen Weinstube entdeckte er seinen Wagen. Die Decken lagen unordentlich auf den Sitzen, der Zündungsschlüssel steckte, aber er hatte Glück gehabt: nichts war gestohlen. Das belebte ihn wieder ein wenig. Er fuhr mit dem Wagen in den Westen zu einem großen Kunsthändler, bei dem er einst mit Herrn Zenker viele schöne Renaissancemöbel gekauft hatte. Er sprach mit dem Mann. Aber der schüttelte den Kopf: »Nein, nein, Herr Siebrecht, das ist unmöglich! Außerdem beleihen, das ist Sache Ihrer Bank, solche Geschäfte mach ich nicht.«
»Wenn Sie mir die Sachen noch sechs, acht Wochen stehenlassen, verkaufe
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