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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Sprüche schon?«
    »Ach, die ollen Sprüche! Wat ick mir for Sprüche schon koofe!«
    »Los, Rieke!« befahl er. »Hol deine Hefte und dein Neues Testament.«
    Sie sah ihn von der Seite an und brach in Lachen aus. »Jott, Karl, du jefällst mir!« rief sie. »Jenau wie Lehrer Jalle siehst du jetzt aus.«
    »Wir haben ausgemacht, Rieke, daß du regelmäßig und ordentlich deine Schularbeiten machst.«
    »Ja doch, Karl! Bloß, et hilft nischt.«
    »Natürlich hilft es.«
    »I wo! Ick bin dumm jeboren, und ick lerne ooch nischt zu.«
    »Du weißt ganz genau, daß du nicht dumm bist.«
    »Ja, allens wat ick for meine Arbeet brauche, det lerne ick sofort, aber die ollen Bücha –! Karl, schämste dir nich manchmal, det ick so unjebildet bin?«
    »Du bist meine kleine Schwester, und ich werde schon dafür sorgen, daß du nicht lange mehr ungebildet bist«, sagte er stolz.
    »Bin ick det, Karl? Bin ick deine Schwesta?« rief sie und lief auf ihn zu. »Det is jroßartig von dir, darauf jibst de mir ’nen Kuß!« Sie legte die Arme um seinen Hals. »Na, ’nen richtigen, ’nen richtigen süßen … Mach die Oogen zu und denk, ick bin deine Ria –!«
    »Das darfst du nicht sagen, Rieke. Das schickt sich nicht! Du bist meine Schwester.«
    »Na, det weeß ick doch, du olla feina Hammel! Det ick nich deine Jeliebte bin, det weeß ick. So liebste mir nich, nich uff die Art! Aber desterwejen kannste mir doch ’nen richtigen Kuß jeben, nich so wie een Stockfisch. Det hat mir schon imma jefehlt, det mir mal eena streichelt. Mit die olle Knutscherei habe ick jar nischt im Sinn. Also, Karl, nu mal los, nimm mir mal richtig in deine Arme …«
    Und Karl legte seine Arme um ihre zarte, ach, so zarte Gestalt, er näherte seinen Mund ihrem ihm entgegengehobenen Kindermund –– und er fühlte sich losgerissen von ihr, er taumelterücklings durch die Küche, schlug gegen den Herd und fiel schwer zu Boden … Da aber, wo er gestanden hatte, stand jetzt der alte Busch, schwer atmend, seine Lippen bewegten sich. Er sprudelte undeutliche wilde Laute hervor, die Arme pendelten, als wollten sie sofort losschlagen … Und da stand Rieke, schneeweiß …
    Ehe sich aber Karl Siebrecht aus seinem Sturz hatte aufraffen und ihr zu Hilfe eilen können, hatte sich Rieke schon gefaßt. »Wat fällt denn dir ein, Vata?!« rief sie und hatte die Arme in die Seiten gestemmt, in der typischen Keifstellung so vieler Berliner Weiber, die sie ganz unbewußt übernommen hatte. »Du bist wohl janz verrückt jeworden! Kiek eena den an: nu wird er plötzlich eifersüchtig! Det jibt et bei mir aba nich, vastehste! Nimmste sofort die Arme runter, Vata! Wenn det so is, wenn der Schnaps so uff dir wirkt, denn jibt et jar keenen mehr, vastanden?!« Sie beruhigte sich. Sie besann sich. »Haste dir wat jetan, Karl? Nee? Nich? Na, is man jut. Vata meent et nich so.« Und wieder zum Vata: »Wat machste bloß for Zicken, Vata? So wat mußte nich wieda machen, da kannste mir wild mit machen! Det is mein Bruda, der Karl, vastehste det? Da haste jar nicht eifersüchtig zu sind!« Sie nahm den Vater bei der Hand und führte ihn wieder zu seinem Stuhl am Fenster. »Na, nun beruhige dir man«, sagte sie sanft. »Hast wat Schlechtet jeträumt, Vata? Is allens nich wahr, ick bin deine Beste. Rieke is deine Beste, wat, Vata?« Sie saß wieder auf des Vaters Schoß, die Arme um seinen Hals. Zu Karl Siebrecht sagte sie: »Jeh man schlafen, Karl. Det hat heute abend doch keenen Zweck mehr. Man muß sich ebend nich zu doll freuen, denn jeht’s imma schief! Hau dir in de Mulle, Karl. Und ich mach meine Schularbeeten noch, ick vaspreche dir’s, Karl, darauf kannste dir verlassen! Du sollst ’ne jebildete Schwesta kriegen! Jute Nacht, Karl!«
    »Gute Nacht, Rieke. Gute, gute Nacht …«
    »Danke schön, Karl. Det war so jut wie ’n Kuß. Danke schön, Karl. Jute, jute Nacht.« – –Aber von diesem Abend an ging es mit dem alten Buschimmer schlechter. Noch wanderte er morgens wie sonst zur Arbeit, aber nun sah er am Abend nicht mehr so sehnlich nach seinem Schnaps aus wie bisher, weil er nämlich schon welchen in sich hatte! »Ick weeß nich, wat det mit Vata’n is«, klagte Rieke zu Karl. »Ick weeß nich, der Olle trinkt heimlich – det hat er doch noch nie jemacht!«
    »Stimmt denn sein Lohngeld?« fragte Karl.
    »Det is et ebend – es stimmt! Ob der Olle Schulden in die Kneipen macht? Aba die pumpen ihm doch nischt, wo er nie ’nen roten Heller in de Tasche hat!«
    Aber

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