Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
erste, wat ick nu richtig nähe, Tilda, det is ’n Wintermantel for dir aus Tante Berthas Kleid. Wat sagste nu –?«
    Rieke tritt und näht, sie näht alte Lumpen, eine Naht rauf, eine runter, die Maschine näht wirklich wie Puppe. Und das Rumpeln der Maschine breitet sich aus in dem Hinterhaus an der Wiesenstraße. Überwohner und Unterwohner horchen auf das ungewohnte Geräusch aus der Buschschen Wohnung, die Nachbarn legen das Ohr an die Wand … Nicht lange, so klopft die erste an die Tür: »Det war mir doch so wunderlich, Rieke, ick dachte schon, hier is wat passiert, weil det so rumpelt! Aber det du nu ’ne Maschine hast mit deine vierzehn Jahre! Ick bin elf Jahre verheiratet und hab noch immer keene! Immer, wenn ick dachte, nu is et soweit, nu haben wa de Kröten zusammen, denn kam wieda wat Kleenet, und neese waren wa.« Andere Nachbarinnen folgten, bald stand ein dichter Haufe Frauen bei Buschens in der Küche. Und die Kunde breitete sich im ganzen Haus aus, vom ersten Hof kam die Brommen, und aus dem Vorderhaus sogar die Frau des Vizewirts Spaniel, von der die Sage ging, sie trage nur seidene Wäsche. Rieke erlebte den stolzesten Tag ihres Lebens, sie wurde angestaunt, gelobt und bewundert. Und wenn sie auch mit ihrem nüchternen Menschenverstand gut wußte, wieviel Neid sich hinter all diesen rühmenden Worten verbarg, so tut Lob eben doch wohl, auch wenn’s nicht ganz ehrlich gemeint ist.
    Der alte Busch wurde unruhig von all den Frauen und ihrem Geschwätz. Er suchte nach seiner Mütze und verschwand, aber heute hinderte ihn Rieke nicht. Sie hätte ihmsogar noch eine Mark zugesteckt, wenn er darum gefragt hätte. Nimmermüde führte sie die Maschine vor, erklärte die Vorzüge des Rundschiffchens vor dem Langschiffchen und wurde dabei immer rotbackiger und aufgeräumter. So fand sie Karl Siebrecht, als er von seiner Zeichenstube nach Hause kam. Die letzte Besucherin hatte sich verlaufen, und Rieke saß, schachmatt, aber selig, vor ihrer Maschine. »Karle«, sagte sie und kam ihm langsam entgegen. Sie legte ihre Hände auf seine Schultern. »Karle, det is mein schönster Tag! Die Maschine is da, und alle haben se mir bewundert, Karle, heute bin ick janz glücklich …«
    »Das ist großartig, Rieke! Ich freu mich auch, über dich!«
    »Ja, Karle, und det det so jeworden is, daran bist alleene du schuld. Seit ick dir in eure Kleinbahn sah – weeßte noch die ulkichte Nudel mit ihre Notbremse? –, seitdem jeht det jut bei uns!«
    »Ach, Rieke, rede nicht! Was habe ich wohl mit der Maschine zu tun?! Die hättest du auch ohne mich angeschafft! War übrigens der Hagedorn selber hier?«
    »Och!«
    »Und ging alles glatt? Hat er nicht nach deiner Mutter gefragt?«
    »Ach der! Der kann ville fragen – for den weeß ick imma ’ne Antwort. – Nee, Karle, red nich, ohne dir wär det mit de Maschine nischt jeworden. Es ist nich bloß von wejen deinem Kostjelde, trotzdem det ville hilft. Nee, nich bloß darum. Es is von wejen die Kurage – seit ick dir kenne, ha ick ’ne janz andere Kurage im Leibe. Det is et.«
    »Ach, Rieke, das beruht ganz auf Gegenseitigkeit! Ich freue mich immer auf dich, wenn ich abends nach Hause gehe.«
    »Tust du det, Karl? Wirklich? Det is fein, det hätt ick nie von mir jedacht! Ick bin doch bloß ’ne unjebildete Berliner Krabbe aus ’m Wedding, aber det is jut. Det macht mir Laune! – Und nu hör zu, Karl«, ohne weiteres ging Rieke Busch von den Gefühlen zur praktischen Seite des Lebens über, »ick wollt ja eijentlieh erst zu Neujahr mit die Näherei for Feltensin de Jerusalemer Straße anfangen, aber ick habe mir det anders übalegt. Det sind noch elf Tage – wat soll ick de neue Maschine unjebraucht stehenlassen? Ick mache schon morgen bei Feltens, und wenn de Zeit hast, denn kommste mit. Det is ne janze Wucht Stoffe, die ick da kriege, die schaff ick nich alleene. Wenn de mir die buckeln hilfst, Karle, det soll mir ooch uff ’ne Molle nich ankommen, junger Mann!«
    »Natürlich, Rieke, helf ich dir, und die Molle spendiere lieber dem Vater. Wo ist er denn? Schon wieder weg? Vater wird immer geheimnisvoller, um den müssen wir uns mal kümmern.«
    »Recht haste, Karl, man müßte bloß mehr Zeit haben. Also morjen zittan wa bei Feltens.«
    Und so zitterten sie denn am nächsten Tage wirklich zu Feltens. Karl Siebrecht entdeckte, daß auch bei dieser Firma schon alles auf eine Frau Friederike Busch vorbereitet war, aber zur Beruhigung seines Gewissens brauche er hier

Weitere Kostenlose Bücher