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Ein Mann will nach oben

Ein Mann will nach oben

Titel: Ein Mann will nach oben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Verwüstung hatte herbeiführen können. »Na, nun faßt doch an!« sagte Herr Felten ungeduldig. »Fangt an, die Ballen aufzuwickeln. Und bürstet die Stoffe vorher gut ab – hier sind Bürsten –«
    »Hören Se mal, Herr Felten«, sagte Rieke, »Sie sind ja komisch! Wat jeht denn uns Ihr Lager an? Sind wir Ihre Anjestellten? Sie schnauzen uns hier an …«
    »Ich habe euch doch nicht angeschnauzt! Ich habe euch bloß gebeten, mir zu helfen –«
    »Jebeten? Ick höre imma jebeten. Hast du wat von jebeten jehört, Karl?«
    »Kein Gedanke! Angeschnauzt haben Sie uns, Herr Felten! Komm, Rieke, wir gehen nach Haus!«
    »Aber nun seid doch nicht so«, bat Herr Felten nun wirklich flehentlich. »Ihr könnt mich doch nicht so sitzenlassen! Das dauert doch Stunden, bis ich das allein aufgeräumt kriege! Ich will euch ja gerne was geben!«
    »’nen Taler für jeden!« sagte Rieke rasch. »Det ist jemacht!«
    »I wo, Rieke!« rief Karl Siebrecht. »Fünf Mark für jeden – und das ist noch billig, was, Herr Felten? Wo wollen Sie denn jetzt am späten Abend noch Leute herkriegen?« Karl Siebrecht fand, er mußte nun auch anfangen, ein bißchen geschäftstüchtig zu werden, sich auf Berlin umzustellen. Rieke sollte ihm doch nicht in allem Praktischen überlegen sein!
    Sie sprang ihm auch sofort bei. »Recht haste, Karl!« rief sie. »Fünf Mark für jeden, det is noch billig, Herr Chef. Und denn überhaupt, wo mein Freund Bauzeichner is, der macht doch so ’ne Arbeit sonst überhaupt nich.« Und nach einigem Zappeln und vielem Stöhnen willigte Herr Felten denn auch schließlich in den Preis. Eine Weile arbeiteten die drei fast schweigend, nur die kummervollen Seufzer des Herrn Felten unterbrachen von Zeit zu Zeit die Stille. Als wieder ein besonders schwerer Seufzer im Lager erklang, sagte Rieke: »Der kam aber von’t Herze, Herr Felten.«
    »Der verfluchte Bengel!« seufzte Herr Felten nun laut. »Mich gerade zum Fest sitzenzulassen! Wo kriege ich jetzt einen Laufjungen her?«
    »Daran hätten Se denken müssen, ehe Se den Stock in de Hand nahmen, Herr Felten«, sagte Rieke weise.
    »Und der Dreckfink soll seine Füße ungestraft an meinem schönen Samt abwischen dürfen! Zehn Mark kostet mich der Meter!«
    »Det wissen wa nu, Herr Felten. Aba wer woll am meisten jestraft is, Sie oder er?« Felten seufzte nur.
    Karl Siebrecht aber meinte: »Wenn Sie einen Handkarrenhier haben, will ich unsere Stoffe schon nach Haus fahren, Herr Felten. Ich bringe den Karren dann morgen früh zurück, ehe ich aufs Büro gehe.«
    »Es ist ein Dreirad«, seufzte Herr Felten. Und nach einigem Überlegen: »Sagen Sie mal, was sind Sie? Bauzeichner? Wann machen Sie denn da Schluß?«
    »Meistens um fünf. Wieso?«
    »Vielleicht sind Sie zu fein dazu – die jungen Leute sind ja alle zu fein heute fürs Geldverdienen –, aber wenn Sie dann abends noch drei, vier Stunden kämen und lieferten mir die Ware ab? Bloß, bis ich einen anderen Jungen habe?«
    »Wat meenste?« fragte Rieke.
    »Was würden Sie denn dafür ausgeben?« erkundigte sich Karl Siebrecht.
    »Na, fünf Mark habe ich gedacht.«
    »Fünf Mark den Abend, det is nich schlecht! Det würde ick mir überlegen, Karl!«
    »Den Abend! Bin ich denn wahnsinnig? Die Woche meine ich natürlich!«
    »Das ist ja ein feines Geschäft, was Sie mir da vorschlagen, Herr Felten«, sagte Karl Siebrecht. »Ich mache Ihnen nach Feierabend die Arbeit von Ihrem Botenjungen, und statt zwölf Mark geben Sie mir fünf. Danke schön.«
    »Recht haste, Karl!«
    »Aber der Junge war zehn Stunden hier!«
    »Reden wir nicht mehr davon, Herr Felten!«
    »Ich meine doch nur, der Junge hat hier zehn Stunden gearbeitet und Sie –«
    »Wir reden nicht mehr davon, Herr Felten!«
    »Ich meine doch nur …«
    »Wo mein Freund Bauzeichna is – der verdirbt sich bloß seine Hände!«
    »Wir reden nicht mehr davon, Rieke.« – Nachdem sie noch eine Viertelstunde davon geredet hatten, war Herr Felten erledigt: für einen Wochenlohn von zwanzig Mark wurde Karl Siebrecht der Aushilfslaufbursche der Firma Felten.
    »Paß uff, Karle«, sagte Rieke bei ihrem späten Heimweg. Sie ging eilig neben ihm, der ihre Mäntel auf einem Dreirad beförderte. »Paß uff, Karle, nu vadienen wa Jeld wie Heu!«
    »Beruf es bloß nicht, Rieke«, sagte er warnend, aber auch er war zufrieden und stolz. Er hatte das Gefühl, als hätte er nun den Fuß auf die unterste Leitersprosse gesetzt. Hinauf, hinauf auf die Stadtmauer von Berlin!

18.

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