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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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fliegen.

Frühling

Kapitel 36
    »Wach auf«, sagt Phil. »Ich glaube, die Katze ist tot.«
    Ich stolpere hinter ihm her auf die Veranda hinaus, wo eine lange Blutspur zu der zusammengesunkenen Gestalt von Pascal führt. Er wurde von der Brust bis zum Bauch aufgerissen, eine ausgezackte, ungleichmäßige Wunde.
    »O Gott!«
    Phil hält ein Handtuch in Händen, das er über die Katze wirft. »Er ist wohl mit etwas aneinandergeraten, das größer war als er selbst. Wir müssen ihn von der Veranda entfernen, bevor Tory aufwacht.«
    »Ich mach das.« Ich beuge mich hinunter und hebe den weichen, geschmeidigen und noch immer warmen Körper des Katers hoch. Er löst sich mit einem leisen, klebrigen Ploppen von der Veranda, und ich spüre, wie sich in meinen Armen etwas bewegt. Ich drehe ihn um, so dass er wie ein Baby eingewickelt ist, und sehe, dass sich in seinen Lungen noch Luft befindet, es ist eher ein Zittern als ein Atmen.
    »Er lebt.«
    Phil schüttelt den Kopf. »Die Bauchdecke ist durchgerissen. Wickle ihn einfach ein und leg ihn aufs Gras. Er wird bald tot sein.«
    Pascal gibt keinen Ton von sich, aber ich spüre, wie er zittert. Mir ist schwindlig. Überall auf der Veranda ist Blut, so als wäre etwas weitaus Größeres als eine Katze getötet worden.

    »Lass ihn in der Ecke vom Garten«, wiederholt Phil mit gleichmäßiger, fester Stimme, so wie sie sich anhört, wenn er Tory korrigiert. »Ich kümmere mich darum, wenn ich heimkomme.«
    Ich drehe mich um, trage Pascal durch die Küche und greife nach meinen Autoschlüsseln, indem ich mit einer Hand in meiner Handtasche wühle.
    »Beruhige dich!«, fordert Phil mich auf, der den Arm ausstreckt, um mich aufzuhalten. Ich habe den Eindruck, als sei das das Einzige, was er in den vergangenen zehn Jahren zu mir gesagt hat. Es ist der Befehl unserer Ehe, das endlose Echo, das von den Wänden des Hauses widerhallt, selbst dann noch, wenn keiner von uns hier ist. Ich schiebe seinen Arm weg, überrascht, wie viel Anstrengung es kostet, überrascht, wie sehr er seine Muskeln gegen mich anspannt. Aber ich drehe mich mit der Hüfte und reiße mich los. Schon bin ich in der Garage und gehe zur Auffahrt.
    »Was hast du vor?«, ruft Phil mir von der Tür aus nach. »Es hat keinen Sinn, ihn zum Tierarzt zu bringen. Wenn die Bauchwand gerissen ist, kannst du ihn nicht retten.«
    Ich antworte nicht. Ich kann nicht antworten. Ich bin im Auto, halte den Kater noch immer in meiner linken Armbeuge. Ich setze ungeschickt zurück, versuche mit einer Hand zu lenken, versuche meinen Sicherheitsgurt anzulegen. Unser Viertel sieht für mich bizarr und fremd aus, während ich hindurchfahre. Ich spreche mit dem Kater, verspreche ihm, dass ich ihm Rühreier machen werde, wenn wir vom Doktor zurückkommen. Rührei mit Käse, was ich manchmal am Wochenende mache. Es ist sein Lieblingsfressen. Er grollt, gibt einen Laut von sich, der sich beruhigend nach einem Schnurren anhört. Die morgendliche Stoßzeit hat bereits angefangen, und es ist viel Verkehr. Ich rolle Zentimeter für Zentimeter die Providence Road
hinunter und stehe an einer Ampel, nur wenige Blöcke von der Tierarztpraxis entfernt, als sich plötzlich Pascals Pfote aus dem Handtuch befreit und einen einzigen geraden Schlag in die Luft macht.
    Als ich Pascal und Garcia vom Tierschutz erhielt, waren sie kleine Kätzchen. Ich setzte sie während der kurzen Fahrt nach Hause in eine hohe Pappschachtel, und Pascal war es, der sich als Erster herauskämpfte. Es war Pascal, der irgendwie entdeckte, wie man die glatten Flächen hochkletterte, bis der kleine Kopf durch die Klappen des Pappkartons stieß. Tory quietschte vor Begeisterung bei diesem lustigen und unerwarteten Anblick des Kätzchens, das seinen Hals reckte und aufgrund des ungewohnten Lichtscheins blinzelte. Damals drückte ich ihn wieder hinunter. »Schlimmer Junge«, schimpfte ich und lachte. Von diesem Augenblick an war er mein Liebling.
    Doch bei der Bewegung hier handelt es sicht nicht um eine Geste des Erkundens, sondern um einen letzten Krampf. Ich öffne das Handtuch. Der Kater liegt ruhig da, seine Augen sind halb geschlossen, sein Maul ist zu einer Grimasse aufgesperrt. Sein Gaumen ist zu sehen. Das Auto hinter mir hupt. Einen Augenblick lang habe ich das Gefühl, dass die Rippen in meiner Brust eine nach der anderen zerbrechen, aber ich trete aufs Gas, fahre ruckartig an, immer noch Richtung Tierarzt. Ich weiß nicht, wohin ich sonst soll.
    Als ich dort bin und

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