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Ein Mann zum Abheben

Ein Mann zum Abheben

Titel: Ein Mann zum Abheben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kim Wright
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geradewegs vom Bildschirm auf einen zukommt, wie ihre Verzweiflung durch das Glas hindurch anwächst. Unglückliche Frauen haben mir schon immer Angst gemacht. Wenn ich eine Frau sehe, deren Verzweiflung offen sichtbar ist, ziehe ich mich normalerweise so schnell zurück, dass ich Tassen umwerfe und über Stühle stolpere. Vielleicht ist das ja der Grund, warum ich in diese Umgebung gezogen und mir diese Kirche ausgesucht habe, warum ich es vorgezogen habe, an einem Ort zu wohnen, wo Frauen ihren Schmerz so gut zu verbergen wissen. Doch heute ist etwas anders. Heute bin ich, obwohl ich den Film so oft gesehen habe,
zum ersten Mal erleichtert, dass Maggie sich entschließt, bei Brick zu bleiben. Das Universum verlangt bestimmte Opfer, eine bestimmte Mathematik. Für eine, die bleibt, müssen zehn Frauen gehen oder so, und ganz gewiss zählt das Opfer von Elizabeth Taylor mehr als das einer gewöhnlichen Frau. Sie ist so schön wie ein Engel, und wenn jemand dazu berechtigt ist, die Leiden des ganzen weiblichen Geschlechts auf sich zu nehmen, dann ist es höchstwahrscheinlich sie.
    Ich schaue hoch und sehe Phil in der Küche stehen. Ich weiß nicht, wie lange er mich schon beobachtet, aber er sieht besorgt aus.
    »Warum hast du mich nicht angerufen?«, fragt er.
    Ich lege meine Hand an meine Kehle und schüttle meinen Kopf, um ihm zu zeigen, dass ich nicht sprechen kann. Ich Dummkopf, ich hoffnungsvoller Dummkopf, dumm bis zum Letzten, denn etwas in mir denkt selbst jetzt noch, dass er nach Hause gekommen ist, um über etwas Wichtiges zu reden. Vielleicht will er mir sagen, dass es ihm leidtut, nicht mit mir zum Tierarzt gefahren zu sein, oder mich fragen, was mit der Katze passiert ist.
    »Du hättest mich anrufen sollen«, sagt er. »Ich habe mittags schon Pizza gegessen.« Dann schaut er unverwandt auf den Bildschirm, beobachtet, wie Elizabeth die dunklen Stufen zum Schlafzimmer ihres Mannes hochsteigt und gegen alle Wahrscheinlichkeit noch ein letztes Mal versucht, ihre Ehe zu retten.
    »Sie hat schon gut ausgesehen«, sagt er, »bevor sie fett geworden ist.«
    In der Ehe stirbt man so viele kleine Tode, dass ich nicht so recht weiß, warum einer mehr zählt als der andere. Ich öffne meinen Mund und sage ihm, dass ich die Scheidung will.

Kapitel 37
    »Die Katze ist gestorben, und jetzt will sie sich scheiden lassen«, behauptet Phil. »Sie gibt mir an allem die Schuld.«
    Jeff hebt fragend die Augenbrauen. »Du gibst ihm die Schuld daran, dass die Katze gestorben ist?«
    »Ich wollte, dass er mit mir zum Tierarzt fährt. Ich musste in der Stoßzeit fahren und war total aufgelöst, er hätte mitkommen sollen.«
    »Du hättest dich in diesem Augenblick nicht losreißen müssen. Der Kater war schon tot.«
    »Er war nicht tot, er lag im Sterben.«
    Phil schaut Jeff an. »Die Gedärme waren aufgeschlitzt. Er muss tot gewesen sein, bevor sie aus unserem Viertel heraus war.«
    »Er hat sich noch den ganzen Weg bis zu Alexander bewegt.«
    Jeff springt auf. Das macht er oft. Wie viele kleine Männer ist er schnell und stürmisch. Als er das erste Mal in der Kirche war, hat er allen einen Schreck eingejagt, indem er plötzlich hinter der Kanzel hervorgesprungen und während der Predigt im Mittelschiff auf und ab gegangen ist. Phil und mich hat es auch in der Therapie erschreckt, als Jeff das erste Mal hochgeschnellt ist und angefangen hat herumzulaufen, doch inzwischen haben wir uns daran gewöhnt.
    »Okay«, sagt Jeff, »wir können noch den ganzen Tag hier
sitzen und darüber diskutieren, wann genau die Katze eingegangen ist. Ich denke aber, der eigentliche Punkt ist, dass Elyse sich nicht unterstützt gefühlt hat, als sie deine Hilfe gebraucht hat.«
    »Um Himmels willen, es war sechs Uhr morgens. Tory lag noch im Bett und hat geschlafen, und ich hatte vormittags drei Operationen auf dem Terminkalender stehen. Was hätte ich machen sollen? Meine Patienten anrufen und sagen: ›Es tut mir leid, dass sie seit gestern Abend nüchtern geblieben sind, um sich für Ihren Eingriff vorzubereiten, aber ich muss heute zu Hause bleiben und mit meiner Frau und einer toten Katze quer durch die Stadt fahren?‹«
    Jeff bemüht sich, nicht zu grinsen.
    »Ich habe getan, was ich konnte«, sagt Phil. »Ich habe alles verändert, was ich nur verändern konnte. Immer bin ich derjenige, der versucht, alles in Ordnung zu bringen, und ich habe es satt. Ich parke draußen auf der Straße, damit sie die Garage in ein Atelier verwandeln kann,

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